Da ging eine ganz persönliche Geschichte voraus. Vor 17 Jahren habe ich meine Schwester in Kenia, in Nairobi besucht, die dort Entwicklungshilfe gemacht hat. Seitdem habe ich immer den Wunsch gehabt, mal irgendwas in Afrika zu machen. Ich habe aber nie so richtig den Sinn von Entwicklungshilfe, wie er nun mal sehr oft betrieben wird, erkannt. Und dann habe ich eigentlich dieses Thema abgeschrieben gehabt.
Meine Schwester war 5 Jahre dort. Sie hatte sich da einfach beworben – eine spontane Intuition - und wurde genommen. Das war eine Einrichtung der evangelischen Kirche.
Ich war im Sommer 2002 das erste Mal nach Afrika geflogen. Das war für mich irgendwie die Erfüllung eines Traumes, an den ich selber gar nicht mehr geglaubt hatte - nach Afrika zu fahren, um dort Entwicklungsarbeit zu leisten.
Ab einem bestimmten Alter habe ich in meinem Leben immer wieder versucht, Sachen zu verändern. Ich habe angefangen Elektrotechnik zu studieren, um vielleicht irgendwann mal alternative Energien fördern zu können. Das ist die andere Geschichte.
Ich habe hier in Düsseldorf vor 12 Jahren angefangen, Nachbarschaftsprojekte zu machen. Solche Sachen, wo Leute zusammenkommen und Kommunikation entsteht. Das Ganze habe ich gemacht, weil ich Leute von der humanistischen Bewegung kennengelernt hatte. Das ist eine internationale Organisation, die versucht, solche Projekte zu initiieren – von der Basis aus.
Hier in Deutschland geht es darum, daß Kommunikation und Solidarität gefördert wird. In anderen Ländern wird anders gearbeitet. Die gemeinsame Idee ist es, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
Von dieser Organisation sind vor einigen Jahren Leute nach Afrika gegangen, um dort Humanisten zu finden, die vor Ort auf ihre Art und Weise die Probleme lösen, die es nun mal gibt. Für mich ist das genau der Weg. Nicht daß westliche Formen dorthin importiert werden - was immer wieder gemacht wurde - sondern daß die Leute selber sehen, wie sie ihre Probleme lösen.
Hilfe kann man selbstverständlich in irgendeiner Form geben. Aber die Hilfe durch Geld oder Sachen ist oft kritisch. Weil sie dann immer mehr erwarten und sich daran gewöhnen, das zu kriegen. So machen es noch immer viele NGO´s, bzw. die staatliche Entwicklungshilfe oder die kirchliche Entwicklungshilfe.
Unser Weg ist halt ein anderer Weg. Ich habe festgestellt, daß es inzwischen mehrere Organisationen so machen, daß sie nicht einfach blind was geben, sondern die Leute zu unterstützen, damit sie die Kraft kriegen, sich selbst zu helfen und an sich selbst zu glauben.
Wir suchen eine Organisationsform die so frei ist, daß die Leute alles mögliche damit machen können. Daß sie in einer Gruppen arbeiten. Wir sagen niemals: Irgendjemand muß sich verändern, damit sich etwas verändert. Sondern, wir müssen selbst anfangen, uns zu verändern. Jeder muß bei sich selbst anfangen – und dann kann er darüber hinaus gehen.
Wir arbeiten im wöchentlichen Rhythmus mit wöchentlichen Versammlungen. Und in diesen Versammlungen geht es darum, über sich selbst zu reflektieren – gerade auch über die positiven Sachen, die man hat. Also, nicht sich immer nur kritisch betrachten. Das alles in einem Austausch mit anderen Leuten.
Dann gibt es praktische Übungen. So kann man anfangen, zu arbeiten und langsam auch andere Leute organisieren. Wenn sich eine Gruppe gebildet hat, kann man anfangen, gemeinsame Projekte ins Leben zu rufen.
So, wie wir hier in Düsseldorf das „Zentrum der Kulturen“ aufgemacht haben, kann man dort auch anfangen.
Da gibt es einige Ideen, aber noch nichts konkretes. Es gibt diese Projektidee mit dem Malariamedikament, daß sie selbst anbauen können. Sie selbst haben auch die Idee, eine Zeitung rauszubringen.
Es waren Leute aus Italien, die hatten Kontakte zu Schwarzafrikanern aus Mailand, die in Afrika ihre Familien hatten. Da sind die einfach mal mitgefahren. Daraus hat sich dann was entwickelt.
Bei meiner Reise nach Ghana – ich habe mir vorher durch E-mails Kontakte verschafft – geht es einfach darum, den Leuten zu erklären, was unsere Ideologie ist. Eben den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und den anderen so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte.
Und letztendlich frage ich, ob sie bereit sind, für diese Organisation zu werben – und wenn es mehr Leute sind, soziale Projekte in Gang zu setzen.
Unsere Organisation hat zwar eine globale Absicht, handelt aber punktuell. Deshalb können verschiedene Leute auch verschiedene Sachen machen.
Ich war jetzt zwei Mal in Ghana. Gerade im Großraum Accra gibt es keine Probleme zwischen Stämmen.
Die Ghanaer haben auch eine sehr offene Einstellung gegenüber anderen Glaubensformen. Es gibt in Ghana über 50 verschiedene Sprachen – und viele Leute sprechen mehrere Sprachen.
Ja, Ghana ist auch das erste unabhängige Land gewesen. Der Staatsgründer Nkrumah hat diesen afrikanischen Gedanken sehr stark verfolgt.
Mit den Leuten hatte ich E-mail-Kontakt, schon teilweise ein halbes Jahr lang. Da habe ich schon mal Ideen vorgestellt. Das war mein Ansatz. Wenn Leute dann Interesse hatten, haben sich viele Gespräche ergeben.
Das ging über Europa, über Afrika, über die Krisen in der Welt. Eigentlich ähnliche Gespräche, wie wir sie hier führen. Die wissen viel mehr über uns, gerade bei den politischen Themen – als wir über sie wissen. Andererseits wissen sie nicht, wie wir hier leben. Aber die politischen Sachen sind bekannt.
Aber wer kennt von uns schon den Staatspräsident von Ghana? Wir kennen nur seinen Namensvetter, der bei Bayern München Fußball spielt - Kuffor. Das ist ein häufiger Name in Ghana.
In Ghana kennen sie alle den Schröder. Gerade die Leute, die Möglichkeiten haben, sich über E-Mail oder Internet zu informieren, wissen wirklich sehr viel.
Einer hat sich mit mir über die Flutkatastrophe im Osten unterhalten. Da hat er mir sein Beileid ausgesprochen. Er hatte das verfolgt.
Es gibt 2 oder 3 ghanaische Sender, dann BBC. Die sind schon informiert über die Welt.
Viele Fragen, wie man in Deutschland lebt. Dann haben sie das verglichen mit Ghana. Sie haben viel über Weihnachten erzählt, wie man das verschieden feiert. Sie wollen gerne wissen, wie die Leute leben.
Die Leute, mit denen ich intensiveren Kontakt hatte, hatten das Gefühl, daß sich was verändern muss. Daß sie was tun müssen, daß sich was verändert – und daß sie nicht auf die Politik setzen können oder darauf warten können, daß irgendjemand irgendwas bringt.
Die Alphabetisierung würden sie gerne angehen – nicht nur für Kinder. Eben auch für Erwachsene. Lesen und schreiben als Grundbedingung. Ich habe da engen Kontakt zu einem Französischlehrer. Der würde gerne eine Schule aufmachen. Das sind auch so Ideen, wobei eine Schule schon sehr viel organisatorischen Hintergrund braucht. Das ist nicht mal eben so gemacht.
Über das Internet. Bei Yahoo und ICQ. Da kannst du E-mails suchen. Da habe ich das Stichwort Accra und Ghana eingegeben. Und da hat er mir 100 Mailadressen aufgelistet und an die habe ich Infos geschickt. Da haben sich dann einige drauf gemeldet.
Ja, einige. Daß ich Geld bringe, daß ich irgendwelche Maschinen bringe und solche Sachen.
Man kommt ja auch auf der Straße mit allen möglichen Leuten ins Gespräch. Man wird ständig gefragt, ob man nicht jemand nach Deutschland einladen kann. Das sind Erwartungen, die die Leute an Weiße haben. Man fragt halt nach.
Nur Männer. Die Frauen sind sehr viel zurückhaltender. Auch wenn man zu so einem Verkaufsstand kommt. Die Männer stürzen über einen her. Bei den Frauen ist es mehr wie bei uns. Die warten ab, ob man was will. Den Unterschied empfand ich stark. Ich hatte leider fast nur Kontakt zu Männern.
Schon sofort, am ersten Tag.
Ich habe ja schon zu Anfang gesagt, daß ich kein Geld bringe. Ich sage immer als Beispiel: Ich könnte ja eine Person mit Geld unterstützen, eine Ausbildung zahlen oder so. Aber wenn ich in Deutschland in Schwierigkeiten komme und kein Geld mehr schicken kann, ist das dann unterbrochen.
Wir wollen das nicht so machen. Die Sache soll sich ja weiterentwickeln. Und mit Geld kann man vielleicht eine direkte Hilfe geben, aber eine Weiterentwicklung findet nicht unbedingt statt. Da kann Geld sogar hemmend sein.
Die haben ja durch ihre Solidarität eine Organisationskraft. Das haben sie ja selber. Und dadurch auch eine Möglichkeit Geld aufzutreiben. Auch wenn die Einzelnen das nicht können, hat die Gruppe diese Möglichkeit. Wenn sie eine Schule aufmachen wollen, können sie von der Gemeinde Räume einfordern. Organisiert funktioniert so was. Alleine nicht, aber eine Gruppe von 50 Leuten schafft das. Da muß man kein Geld von Deutschland schicken.
Ich war sehr verwundert über die Reaktion, weil ich aus Erzählungen andere Reaktionen kannte. Also, sie waren sehr offen dafür. Einige haben gesagt, sie wollen eigentlich kein Geld mehr. Sie sehen ja, daß es nichts bringt, daß es keine Entwicklung gibt. Daß gerade mit Hilfe des Geldes von der WHO Afrika ausblutet. Große Projekte werden gefördert, die dann der Bevölkerung viel Geld kosten.
Wenn man teure Staudämme baut, die teuren Strom produzieren, was dann wieder die Bevölkerung belastet. Das ist jetzt ein Beispiel aus Uganda. Das Beispiel ist ein aktuelles Projekt. Da wären die Strompreise dann so hoch, daß es sich die meisten Leute gar nicht leisten könnten. Die Industrie, die westlich dominiert ist, könnte sich das schon leisten.
Das sind so Sachen, die die afrikanische Bevölkerung mitkriegt. Sie kriegen viele Sachen aus ihrem Land mit, die ihnen nicht gefallen. Die kriegen mit, wie sich die meisten Politiker bereichern und sehen, daß mit Geld alleine sich die Probleme nicht lösen lassen.
Die kriegen ihren Strom hauptsächlich von einem sehr großen Staudamm, vom Voltasee, einem der größten Stauseen der Welt. Der wurde schon in den 60er Jahren gebaut. Insofern ist der Großraum Accra gut versorgt mit Strom, wobei es dort auch schon Stromausfälle gab.
Von den 14 Tagen, wo ich dort war, war an 6 oder 7 Tagen abends der Strom weg. Manchmal die ganze Nacht, manchmal für 2-3 Stunden.
Das lag wohl daran, daß irgendein Hauptzuleitungskabel defekt war. Dann mussten sie immer bestimmte Stadtteile abschalten, damit die anderen Leitungen nicht zusammengebrochen sind.
Diese zentralen Projekte werden immer wieder gefördert. Die lassen sich monopolisieren. Aber die Solarprojekte werden nicht wirklich gefördert. Die Dezentralisierung der Energieversorgung wird nicht gefördert.
Die Leute müssen erst mal auf den Trichter kommen, daß es gut für sie ist. Und sie müssen eben teilweise ihre Mentalität ändern.
Da versuchen wir auch, anzusetzen. Daß die Leute nicht nur das Althergebrachte akzeptieren, sondern eben auch neuere Sachen akzeptieren – bzw. sie nicht nur ablehnen.
Das gleiche Problem sieht man hier in Deutschland auch in ländlichen Gebieten. Das ist in Afrika dasselbe.
Da ist kein großer Unterschied – vielleicht noch extremer als bei uns, weil es eben auch extrem ländlicher ist.
Da war ich noch nicht. Aber man stellt sich das dann so vor.
Ich kann mir nicht vorstellen, in ländlicheren Gebieten zu leben. Gerade in der Sahelzone stelle ich mir das schwierig vor. Aber in Accra könnte ich schon leben.
Ich habe in Ghana erfahren, daß viele Leute, die in Deutschland leben, aus dem Norden von Ghana kommen. Vor allem aus der Ashanti-Region.
Gerade in afrikanischen Ländern arbeiten wir viel mit NGO´s zusammen. Vor allem mit NGO´s, die dort entstanden sind. Es gibt sehr viele davon. Es gibt aber auch westliche NGO´s.
Es geht uns darum, wie man mit den einheimischen NGO´s arbeiten kann.
Wir wollen ja Projekte fördern in Afrika. Und wenn es bestehende Projekte gibt, ist das gut.
Wir fördern die, indem wir einen Informationsfluß herstellen. Für die Leute ist sehr wichtig, was in anderen Ländern passiert, vor allem in anderen afrikanischen Ländern.
Die Frage ist immer: Welche konkreten Projekte gibt es dort? Wenn es dort irgendwelche Beispielprojekte gibt, die gut laufen, dann hilft das sehr. Gibt es Berichte? Welche Probleme können auftauchen und wir kann man die Probleme lösen? Gibt es da Erfahrung?
Entweder läuft das über meine E-mail-Adresse oder es läuft über die Organisation, die dann diese Informationen strukturiert weitergibt. So daß noch mehr Leute erreicht werden können.
Das ist so eine Sache, mit meinem deutschen Kopf mir Vorstellungen zu machen, wie sich das in Afrika entwickelt.
Ich hatte die Erwartung gehabt, daß ich soviel Leute wie möglich finde, die meine Ideen verstehen.
Das wird die Zukunft zeigen. Wir müssen eben ein gutes Beispiel geben.
Ich habe in Afrika „den Fahnder“ gesehen. Das ist eine deutsche Serie. Ich habe englische Serien gesehen. Amerikanische Serien. Da sehen die dann ein Leben, das es hier so gar nicht gibt.
Als ich im Sommer da war, habe ich eine Vorschau für eine deutsche Serie gesehen. Die wurde da angepriesen. So eine richtig doofe Familienserie, irgendwo in Hamburg spielend. Wo Informationen transportiert werden, die so nicht stimmen.
Meine Idee ist dieses Malariamedikament, das sie selber anbauen können. Das könnten sie ganz gut machen. Die Leute wissen auch viel über Pflanzen.
Ein Freund von mir aus Zürich hatte Kontakt zu Hans Martin Hirt. Der hat sich Informationen und Samen zukommen lassen und hat in Liberia dieses Projekt angefangen. Das Projekt konnte wegen dem Ausbruch des Krieges dort nicht weitergeführt werden. Aber er hat erste Erfahrungen gemacht und diese Erfahrung werde ich nutzen.
Nein, er ist immer wieder hingeflogen – mehrmals im Jahr. Das ist auch die Art und Weise, wie wir arbeiten.
Ja, ich habe mir das ausgesucht, weil es dort am einfachsten war. Das nächste Mal fahre ich mit den Afrikanern, die ich kennengelernt habe, durch das ganze Land. Dort versuchen wir, weitere Leute kennenzulernen.
Das ist ja das Schöne für mich. Ich erkläre Sachen und dann fangen die Leute selbst an, sich zu bewegen. Die müssen nicht alles perfekt machen. Man sieht dann auch, wer sich bewegt, wer vielleicht was verstanden hat. Wer nichts versteht und nur sagt: Ja, ja, finde ich super, aber sich nicht rührt – okay. Mit dem geht es dann halt auch nicht weiter.
Ich hoffe, dann auch mit mehr Frauen Kontakt zu kriegen. Die Männer, die anfangen, sich zu bewegen und versuchen, was umzusetzen, haben oft eine gewisse Offenheit, die notwendig ist, um die Informationen weiterzutragen, auch zu Frauen. Und nicht in der Form: Du musst dies und jenes. Der Machismus ist ja auch sehr verbreitet in afrikanischen Ländern.
Auf dem letzten Infotreffen war keine einzige Frau dabei.
Nein. Das kann nur die Zeit zeigen. Ich werde versuchen, viermal im Jahr hinzufliegen.
Ich würde ja gerne mit mehreren Leuten zusammenarbeiten, die mir helfen, die Reise zu organisieren. Das Geld kommt ja nicht von der Organisation. Das Geld für die Flüge muß ich irgendwie aufbringen.
Zum Beispiel, indem ich hier Masken verkaufe. Ich kaufe in Ghana geschnitzte Masken, superbillig, und verkaufe sie hier für relativ viel Geld. Dadurch habe ich das letzte Mal die Hälfte der Flugkosten finanziert. 550 Euro ist der Flug gewesen. Ich hatte nur ein paar Masken mitgenommen, weil ich es erst mal ausprobieren wollte. Diesmal habe ich mehr Masken dabei, und eine Trommel. Die will ich aber jetzt doch nicht verkaufen.
Wir haben auch einen Verein gegründet, wo Mitglieder Gelder einzahlen. Das Geld geht allerdings gerade für die Miete unseres Raumes drauf. Aber wenn da mehr reinkommt, können wir dadurch auch solche Reisen finanzieren.
Das ist eine Sache, die ich gerne machen würde. Vor allem, wenn es einfache Sachen sind, die die Leute vor Ort selber bauen können. Die sind fast alle handwerklich sehr gut, weil sie alle auch ihre Häuser selber bauen.
Was wir von hier bringen können, sind auch Ideen zu Solartechnik. Das sind oft Dinge, die in Afrika entstanden waren, aber hier in Europa weiterentwickelt worden sind. Wie auch das Malariamedikament.
Während des Krieges im Kongo waren Gruppen im Dschungel, die sich Tee aus dieser Pflanze gekocht haben, damit sie nicht krank werden. Und sie haben festgestellt, daß keiner Malaria bekommen hat.
Das wurde in Deutschland dann weiterentwickelt und kommt jetzt zurück nach Afrika.
Das größte Problem ist, daß sie nicht an sich selbst glauben.
Es gibt ja die äußeren Umstände: Die mangelnde medizinische Versorgung, nicht genug Arbeit. Analphabetismus ist im Umkreis von Accra nicht das ganz große Problem.
Aber, nachdem die Kolonialisierung vorbei war, hat sich nicht viel verändert. Die äußeren Umstände haben sich nicht geändert. Und das ist fast in jedem afrikanischen Land so.
Die Leute glauben nicht, daß sie die Gesellschaft verändern können. Sie warten auf Weiße, die kommen und was ändern. Das ist eine Mentalitätsfrage, die viel verhindert. Das ist, wenn man es vom Entwicklungspotential her sieht, das größte Problem. Wir haben in Deutschland ein ähnliches Problem, daß die Leute nicht glauben, daß sie was verändern können.
Sie haben nicht gelernt, sich nach unserem Maßstäben zu organisieren. Diese Organisationsstrukturen sind ihnen nicht so geläufig. Aber sie haben einen großen Vorteil: Sie kennen unglaublich viele Menschen. Das kann man sich hier gar nicht vorstellen.
Das bringen auch die großen Familien mit sich, wobei es in Accra nicht mehr so ist, daß sie alle zusammenleben. Sie kennen an der Ecke von Accra soundso viele Leute und an der anderen Ecke von Accra soundso viele Leute. Es ist so: Man geht mit jemandem durch die Stadt und er kennt alle. Überall kennt er Leute.
Einer hat mich zum Flughafen begleitet, wo eine Frau am Schalter saß. Und dann begrüßt er sie wie eine gute Freundin. Obwohl der Flughafen in der Innenstadt liegt und er außerhalb wohnt.
Ein anderes Mal, als ich mit jemand am Flughafen war, wollten wir dort ein Abschiedsfoto machen. Ich habe einem Fremden auf die Schulter geklopft, der das Foto aufnehmen sollte. Der dreht sich um – und die Zwei begrüßen sich.
Das ist einfach Normalität, obwohl mein Begleiter ganz am anderen Ende der Stadt wohnt, was sicher 40 km vom Flughafen sind. In Düsseldorf wäre das wirklicher Zufall.
Die Leute kennen sich einfach. Und die haben auch meistens eine Solidarität untereinander. Es gibt auf jeden Fall einen Zusammenhalt. Und das ist eine Kraft, die dort stark ist und die man ausbauen kann. Das hat man hier in Deutschland kaum.
Es gibt Hunderte von verschiedenen Religionsgemeinschaften, vor allem christliche. Von den Zeugen Jehovas über die Baptisten zu den Evangelisten. Zum Teil habe ich die Namen noch nie gehört. Im Norden sind es eher Muslime.
Wenn die Kirchen irgendwelche Räumlichkeiten haben, bieten sie Computerkurse an. Das ist im Moment sehr gefragt. Bei sozialen Projekten von Kirchen habe ich wenig Überblick.
Du sprichst manchmal mit Leuten und erklärst ihnen was und sie fragen nur: What is the benefiz? Wenn sie das fragen, dann erwarten sie was für sich selbst in materieller Hinsicht. Ich habe das auf der ersten Reise öfters gehört. Auf der zweiten Reise nicht einmal.
Wenn das ein Kriterium ist, dann habe ich gute Leute getroffen. Leute, die was verstanden haben.
Doch, das wird öfters gefragt. Daß ich keiner Religion angehöre, ist für sie nicht einfach zu verstehen. Sie können jede Religion akzeptieren, habe ich das Gefühl. Aber sie können schlecht akzeptieren, daß jemand keine Religion hat. Das ist manchmal etwas schwierig.
Auf der einen Seite sage ich relativ klar, daß sie das einfach akzeptieren müssen, daß ich nicht an Gott glaube – an ein höheres Wesen, das da irgendwo ist.
Ich bin aber auch kein reiner Atheist. Ich glaube nicht daran, daß nach dem Leben alles vorbei ist. Ich glaube eben nicht an diese Religionen, die ich kenne. Christentum, Judentum, Islam.
Ich bin der Meinung, daß die Kraft, die einem die Religion geben kann, einfach in einem selber ist. Und man kann diese Kraft auch ohne eine Religion hervorrufen.
Gerade humanistische Vereinigungen – es gibt ja da die verschiedensten Richtungen – propagieren das. Viele humanistische Organisationen sind atheistische Organisationen. Das ist eine Art atheistische Religion. Das wissen viele und deshalb fragen sie auch.
Der Glauben ist für uns irrelevant. Jeder soll seinen Glauben behalten. Der Glaube darf überhaupt keine Rolle spielen, in dem, was man in seinem Leben tut. Für einen persönlich spielt das natürlich eine Rolle. Aber nicht, daß wir da irgendjemanden deshalb ausgrenzen. In keinster Weise.
Ja, Ghana hat vom Sozialismus was begriffen. Viele Ghanaer begrüßen sich mit dem sozialistischen Gruß. Die rechte Faust erhoben. Black Star. Der erste Staatspräsident war ja sozialistisch.
Ich habe geschrieben, daß sie mir Berichte schicken sollen. Die Fragen sind: Wieviel Leute waren bei den Veranstaltungen da? Wieviel neue Leute sind dazugekommen? Wieviel wöchentliche Versammlungen gab es? Usw.
Ich hatte schon angekündigt, daß ich ihnen die Fragen schicke. Da haben sie auch drauf gewartet. Ich bin gespannt, was jetzt für Mails kommen.
Wenn nichts kommt, dann muß in der Richtung noch viel Arbeit reingesteckt werden. Dann haben sie wahrscheinlich nicht viel gemacht.
Viele Leute zu werden. Sie wollen an Kapazität wachsen.
In den wöchentlichen Versammlungen wird im ersten Teil die persönliche Arbeit besprochen. Die Reflexion des persönlichen Lebens. Im zweiten Teil wird die Planung von Projekten besprochen und eben auch das Thema: Wie finden wir noch neue Leute? Wie können wir das gut organisieren?
Ich habe gesagt, daß sie jetzt nicht anfangen sollen, irgendwelche Projekte zu starten. Es sind noch nicht genug Leute. Sie sind noch nicht gut genug organisiert. Ein Projekt würde sofort wieder den Bach runtergehen.
Ganz viele wollen irgendwelche Sachen mit Computer machen. Computerschulen, Internetkurse usw. Ich stehe da nicht so drauf – aber wenn sie das wollen...
Es gibt ja immer Leute, die eine gewisse Ahnung haben. Die würden dann die Grundkenntnisse vermitteln.
Ich stelle mir immer vor: Mein Vater sitzt vor dem Computer und hat keine Ahnung. Das ist aber bei jungen Menschen nicht mehr so. Da ist das gar kein Problem mehr.
In Afrika sind Computer ein sehr großes Thema.
Wir haben einmal drüber gesprochen, daß ein zentrales Kraftwerk nicht die Lösung für das Land sein kann. Daß die Energieversorgung dezentralisiert werden sollte.
Alles was einfach ist, würde ich gerne nach Ghana nehmen. Alles, was selber nachgebaut werden kann und Warmwasser liefert oder die Möglichkeit zu kochen.
Es muß etwas sein, das man auch selbst bauen und organisieren kann. Die Leute sollen auch selbst die Geldmittel organisieren. Wenn etwas schon läuft, kann man auch mal aus Europa Geldmittel organisieren, wenn das möglich ist. Aber erst muß eine Struktur da sein. Sonst versickert das Geld.
Es ist auch eine Sache des Stolzes, ob ich etwas selbst geleistet habe, oder die Mittel einfach zugeschoben bekommen habe.
Da gibt es Touristenmärkte, wo sie nichts anderes machen, als Masken zu schnitzen. Ich bin 50 bis 60 km von Accra in die Mountains gefahren, wo die Leute wussten, daß es dort auch Maskenschnitzer gab. Dort sind sie billiger und die haben auch schönere Masken gehabt.