Solarenergie für Afrika

Konferenz in Düsseldorf vom 4.-6. September 2003

Interview mit Abraham Gebrai Tewelde (AGT) und Mike Vössing (AV)

AGT:
Hallo, ich bin Abraham Gebrai Tewelde. Ich bin in Eritrea geboren - in der Hauptstadt Asmara. Mit 4 Jahren bin ich nach Deutschland gezogen. Ich bin Vollblut-Eritreer.

Denkst Du, daß Solartechnik für Eritrea wichtig ist?

AGT: Ich glaube, das ist noch zu früh für Eritrea. Es gibt soviel zu tun in Eritrea, angefangen von sanitären Anlagen bis zum Schulsystem. Man müsste sich erst mal auf andere, wesentliche Dinge konzentrieren, bevor man Solarenergie nach Eritrea bringt. Ich bin der Meinung, daß Solarenergie in Eritrea nicht benutzt werden würde.

Was ist mit Licht? Das könnte doch ein Einstieg sein.

AGT: Die Solarzellen sind doch auch sehr teuer.

Die Photovoltaikmodule sind teuer. Aber es gibt Minilampen, die mit einem Leihsystem ins Land kommen. Da zahlen die Leute nur das Geld, das sie sonst für das Petroleum ausgeben würden.

Dann wäre es doch eine gute Möglichkeit. Ein Leihsystem ist eine gute Sache. Das kann man doch mal testen.

Ich kann eine Anzahl Solarlampen mit nach Asmara mitnehmen – zum Testen. Aber ich muß die Sprache noch besser lernen.

Die Leute dort interessiert nur, daß ihr Lebensstandart weiter gegeben ist. Sie finden es nicht so wichtig, woher ihre Energie kommt, sondern daß sie Energie haben.

Wie waren die Umstände, unter denen Du hierher gekommen bist?

AGT: Ich bin mit meiner Schwester zusammen mit einer katholischen Organisation nach Köln geflogen worden. Wir waren dann im Kinderheim St. Josefstift in Köln-Benrath für die ersten 3 Jahre. Dann sind wir in eine Außenwohngruppe gezogen. Meine Eltern sind in Eritrea geblieben.

Was ist damals der Grund gewesen?

AGT: Der Krieg. Es war 30 Jahre lang Krieg gegen Äthiopien. Die Frauen, Kinder und Männer haben alle gekämpft.

Eritrea ist im Gegensatz zu Äthiopien sehr sehr klein - 3,4 Millionen Einwohner. Und da hat Mann und Maus gekämpft, damit die Unabhängigkeit weiterhin gegeben war.

Angefangen hat der Krieg wegen einer Hafenstadt in Eritrea – weil die Äthiopier diese Hafenstadt unbedingt wollten. Das war ihr einziger Weg zur See. Das war wichtig wegen dem Handel. Die Eritreer haben aber gesagt: Nee, wir wollen das nicht aufgeben. Und dann fliegen halt schneller die Fäuste als man denkt. Das Ganze hat 30 Jahre lang gedauert.

Ich habe meine Eltern dann 18 Jahre lang nicht gesehen. Dann ist meine Mutter nach Deutschland gezogen. Mein Vater ist immer noch in Eritrea.

Man hatte vermutet, daß sie tot wären. Das rote Kreuz hatte sich mit der Suchaktion Halbmond darauf spezialisiert, auseinandergerissene Familien aus Eritrea wieder zusammenzubringen. Sie haben aber 17 Jahre unsere Eltern nicht gefunden.

Unsere Mutter hat uns dann aber gefunden. Dann haben wir noch erfahren, daß wir 2 jüngere Brüder haben. Das hörte sich gut an.

Wie alt bist Du?

AGT: Ich bin jetzt 21 Jahre.

Was denkst du über das Leben in Deutschland?

AGT: Ich kann mal eine kleine Geschichte erzählen: Wenn du hier irgendwo an die Tür klopfen würdest und sagen würdest, daß du Hunger hast und ein Glas Wasser willst – dann würden sie dich als einen Schwarzen wegschicken – weil sie Angst hätten.

Wir haben da schon Experimente gemacht, im Fach Sozialwissenschaften. Bei zehn Fällen wurdest du 8 x weggeschickt. Nur wegen einem Stück Brot und einem Glas Wasser.

In Afrika würde es sowas nie geben. Der Glaube verbietet es, jemandem der hungrig ist, nichts zu essen zu geben. Wenn irgendein Fremder bei meiner Mutter an die Tür klopfen würde und was zu essen wollte, dann würde er nicht nur was kriegen sondern auch reingebeten werden.

Meine Mutter sagt auch immer zu meinen Freunden, daß sie wären wir ihre eigenen Kinder. In Afrika ist es ja so, daß die Mütter ihre Kinder zusammen erziehen. Man hilft sich gegenseitig. Die Verbundenheit ist enger.

In Deutschland sind die Menschen oft einsam und kalt. Die Menschen lachen nicht so viel. In der Stadt fällt mit immer auf, daß die Menschen so gebückt gehen und die Schultern einziehen. Die gehen nicht aufrecht.

Afrikaner gehen stolz und aufrecht. Und das haben die Europäer verloren. Auch die Leichtigkeit an den Tag zu legen.

MV:
Ich habe viele afrikanischen Freunde. Ich denke viel drüber nach, wie man sein muß – was ist gut und was ist böse. Der Abbi ist eigentlich nicht so stark afrikanisch, weil er in Deutschland groß geworden ist.

Wenn man Fernsehen guckt – ich gucke jetzt keines mehr – dann sieht man das ganz deutlich. Afrika wird immer negativ dargestellt. Und in Deutschland haben die Leute immer Angst vor dem anderen.

Ich komme von einem Dorf, da leben 300 Leute. Da habe ich das mitgekriegt. Ich hatte nie Kontakt zu Schwarzen - nie. Bis ich hierher nach Köln gezogen bin.

Es gibt auch stressige Afrikaner – nicht nur lässige Afrikaner. Es gibt auch lässige Deutsche. Man muß nur offen sein.

Wenn man sich nur in einer homogenen Gruppe bewegt, dann kann man auch nichts lernen.

Machen die Deutschen Fehler, wenn sie Technik nach Afrika bringen?

MV: Ich würde sagen, daß die Afrikaner meinen, daß sie das selber können. Nur, man lässt sie nicht.

Die westlichen Großmächte haben sehr viel Angst davor, daß Afrika hochkommt. Angenommen, Afrika würde sich zusammentun – dann wären sie eine unglaublich große Macht. Es ist ein riesiger Kontinent, die Menschen sind sich alle sehr ähnlich.

Wenn ganz Afrika gegen Europa stehen würde – da wäre Europa nur ein Punkt. Und dann würden sie Europa in 50 Jahren überholt haben.

Es gibt ja das Phänomen: Wenn man einmal haben will, dann will man immer mehr haben. Deshalb drückt man Afrika immer ein bisschen runter.

Afrika würde doch sicher nicht den Weg wählen, den wir gewählt haben.

MV: Natürlich nicht. Aber sie könnten zu den ganzen Kolonialmächten sagen: „Ihr geht jetzt hier raus! Das ist unser Land!“ Sie könnten die Handelsbeziehungen abbrechen. Ihr unglaublicher Reichtum an Bodenschätzen – was ja ganz wichtig ist. Viele Sachen kommen ja aus Afrika.

Bist du der Meinung, daß die Afrikaner sich hier in Deutschland gut integriert haben?

MV: Finde ich schon, ja. Sie finden auch Frauen hier. Afrikaner behandeln ihre Frauen einfach gut. Ich will nicht sagen, daß alle Afrikaner ihre Frauen gut behandeln. Es gibt einen Spruch: I never disrespect a woman, because I love my mama. Und danach leben die Afrikaner halt. Wenn ein Afrikaner sich in eine Frau verliebt, dann ist er eben wie ein kleines Kind. Er tut alles für sie.

Afrikaner sind nicht so verwöhnt wie europäische Männer. Die setzen andere Schwerpunkte.

Nicht - wieviel Geld hast du? Sondern - ich habe das und damit mache ich das-und-das. Die Gedankenschritte, die logischen Schlussfolgerungen – Afrikaner nehmen da einen anderen Weg als Europäer. Europäer sind rationaler.

Ich kenne unglaublich viele Mischehen. Ich kenne nicht annähernd so viele Mischehen mit Griechen oder Chinesen oder so. Daran erkennt man auch, daß sich die Afrikaner nicht einschließen. Die gehen raus und suchen Beziehungen.

Wie würdest du die afrikanische Organisation beschreiben?

AGT: Die sind verdammt unorganisiert, wenn ich ehrlich bin. Es gibt so ein natürliches Chaos bei den Afrikanern. Die Leute kümmern sich halt nicht so. Sie leben mehr in den Tag hinein, habe ich das Gefühl. Sie planen nicht soviel voraus.

Das liegt einfach an der Mentalität der Afrikaner. Die machen einfach das, wonach ihnen der Sinn steht.

Sind afrikanische Frauen auch so?

AGT: Frauen generell sind mehr auf Sicherheit bedacht als Männer. Sie möchten Sicherheit haben. Sie suchen was, woran sie sich festhalten können.

Aber der afrikanische Mann ist einfach Bruder Leichtfuß. Die Sachen, die ihm im Alltag passieren nimmt er nicht so ernst.

Ich bin mit einem europäischen Mädchen zusammen. Sie will auch immer, daß ich ihr sage, wann das und das ist. Aber das kann ich nicht – weil ich mir über ungelegte Eier keine Gedanken mache.

Sie möchte halt von mit so einen Halt haben und was festes. Sie macht sich viel mehr Gedanken darüber, was morgen ist, wie der Tag abgelaufen ist.

Wie sieht sie Dich innerhalb unserer Gesellschaft?

AGT: Sie ist überzeugt von mir. Doch! Sie vertraut mir und sie findet es gut, wie ich geworden bin.

Möchtest Du in Deutschland bleiben?

AGT: Ich kann mir nicht vorstellen, immer in Deutschland zu bleiben. Es zieht einen schon manchmal zurück. Ich werde auf jeden Fall nächstes Jahr 2 Monate nach Eritrea fahren. Das heißt nicht, daß ich nach Eritrea zurückkehren möchte. Aber in Deutschland könnte ich nicht glücklich werden.

Ich brauche einfach was anderes als Deutschland. Ich mag Deutschland sehr gerne. Ich mag die Menschen, ich freue mich, wenn die Nationalmannschaft im Fußball gewinnt.

Ich war noch nie mit einer Afrikanerin zusammen. Aber ich stehe schon auf deutsche Frauen.

Sie sind hübsch. Es sieht einfach schön aus, wenn dunkel und hell nebeneinander her geht.

Deutsche Frauen sind selbstbewusst und gute Gesprächspartner. Eritreische Frauen leben auf der traditionellen Basis – von wegen heiraten , Kinder kriegen usw. Mit einem deutschen Mädchen muß ich mir nicht so viele Gedanken machen, daß sie in der nächsten Zeit Kinder haben will.

Ich habe einfach keine Zeit, mich festzubinden. Und bei einer afrikanischen Frau ist es halt so, daß du dem Vater vorgestellt wirst. Sobald du dem Vater vorgestellt bist, bist du mit einem Bein schon in der Kirche.

Warum scheinen afrikanische Frauen denn oft so uninteressiert?

AGT: Weil ihnen soviel abgenommen wird. Ich bin dafür, daß jeder mehr Eigenverantwortung tragen müsste. Dann ist er gezwungen, was zu tun.

Es gibt so viele Möglichkeiten, wo man sagen kann: Mach du lieber! Oder: Ich kann das nicht!

Frauen sagen: Ich kann das nicht!

Ich bin nicht der Typ, der so was sagt. Ich probiere es dann lieber. Es ist mir Arbeit verbunden, was zu erlernen.

Den Frauen wird alles abgenommen. Sie haben eine traditionelle Rolle in Afrika. Und da macht der Mann halt alles, was interessant ist. Sie beschränken sich zu sehr, glaube ich. Sie besitzen vielleicht nicht das Selbstbewusstsein, zu sagen: Ich bin wer, ich habe was auf dem Kasten – ich werde das auf jeden Fall schaffen. Im Gegensatz dazu sind afrikanische Männer sehr selbstbewusst.

MV: Ich habe da auch was erlebt - allerdings nicht in Afrika, sondern in Jamaika. Aber die denken auch afrikanisch. Da bin ich mit dem Rucksack durch die Gegend gezogen und ich bin in eine arme Ecke reingerutscht und ich bin abgezogen worden bis zum letzten. Dann wollte ich eine Arbeit finden, in so einem Touristenviertel. Die Schwarzen gingen mir alle nur noch auf die Nerven.

Und dann hat mich auf der Straße jemand angesprochen, ein Rasta, und gefragt, ob er mich mit dem Auto mitnehmen sollte. Aber ich hatte so ein Misstrauen und habe gesagt: „Ich fahre nicht mit dir mit! Ich habe nichts mehr - und auf solche Sachen bin ich immer reingefallen“.

Dann hat er gesagt: „He, du bist gerade gar nicht gut drauf – komm, ich nehme dich mit, du kannst bei mir wohnen“.

Und dann hat er es doch ernst gemeint – daß ich mir eine gute Zeit hier in Jamaika machen sollte. Er wäre ein guter Mensch und er kann sich vorstellen, was ich in dieser Ecke durchgemacht habe.

Ich hatte ja einen Kulturschock. Das hat er auch gemerkt. Das war ein gebildeter Mensch, der auch schon in Europa gewesen war.

Am nächsten Tag ist er dann mit mir durch das Dorf gegangen und hat mich den Leuten vorgestellt.

Der war halt mehr wie ein Bürgermeister. Mir sind dann die Frauen aufgefallen. Ich habe ihn auch angesprochen auf seine 2 Töchter.

Seine Töchter waren 16 und 17 – sind aber immer an uns vorbeigegangen. Die haben zwar gegrüßt, aber sind immer woanders gewesen. Nie hat man irgendwo eine Frau gesehen. Wenn ich mit ihm losgezogen bin – dann waren da nie Frauen dabei. Nie.

Er wusste ja, daß in Europa Frauen abends genauso dabeisitzen wie Männer. Er hat gesagt, daß es hier schon was anderes ist.

Viele wissen gar nicht, was Europa überhaupt ist. Die kennen sich gar nicht aus. Die denken wirklich, das Geld wächst auf den Bäumen. Und sind überhaupt nicht gebildet. Die Frauen sind dafür da, eine Familie großzuziehen und Essen zu kochen.

Der Mann war ein sehr guter Mensch. Aber er hat gesagt: Das ist halt so. Wenn das anders läuft, dann geht hier eine ganze Menge schief. Und so denken die alle. Das ist nichts böses – und die haben sich auch nicht böse gefühlt, so mit Kopf runter und kein Selbstvertrauen. Aber die hatten andere Aufgaben.

Genauso auch mit dem Kiffen. Die Frauen kiffen da nicht. Die Männer kiffen abends auf den Zuckerfeldern oder bei der Ernte, um zu relaxen - oder wenn sie eine harten Tag hatten. Der Mann nimmt ja die Arbeit von der Frau weg.

Und dort lebt man auch nicht unzufriedener als hier.

Wir verdienen Geld, kaufen Autos – und was kommt danach – und was kommt danach...Wir müssen immer alles haben. Dort sind sie aber schon zufrieden mit wenig.

Der Mann ist einfach der Mann. Und die Frau muß sich halt ein bisschen unterordnen. Das ist auch nicht böse gemeint. Und viele Frauen mögen das auch. Das ist eine ganz andere Kultur. Die haben einen ganz anderen Stand.

Und ich habe eine ganze Menge gelernt von Afrikanern. Eine ganze Menge. Einfach, daß es verschiedene Möglichkeiten gibt, um glücklich zu sein.

Ich danke Euch für das Gespräch.