Ich bin Bernd Sitzmann vom Ökozentrum Langenbruck - das ist in der Schweiz zwischen Basel und Zürich, oben auf dem Berg. Das ist ein privates Forschungsinstitut – im Bereich Biomasse, Wasserkraft, ökologische Projekte und eben auch Solarenergie.
Den Bereich Solarenergie betreue ich – und wir konzentrieren uns auf thermische Solarenergie, vorwiegend in der Schweiz mit Industriepartnern - und haben noch kleinere Projekte in Eritrea, wo wir den Aufbau von solaren Warmwasseranlagen unterstützen.
Wir werden auch selbst im November eine Tagung organisieren - und die soll nicht nur die schönen Seiten zeigen, sondern auch die schlechten Seiten. Wir wollen uns einfach mit den Fragen beschäftigen: Wo wollen wir weitergehen, wo stehen wir im Moment mit den Projekten, wo hakt es, und wie können wir Projekte finanzieren? Wir wollen die ganze Sache nicht nur von der technischen Seite, sondern auch vom sozialen Aspekt her anschauen.
Es gibt schon sehr viele Organisationen, die ihre Ideen anbieten - und wo ich den Eindruck habe: Das ist der Markt für Ideen, die in Deutschland keine Chance hätten und deshalb bringt man sie jetzt nach Afrika.
Nicht ausschließlich – es gibt auch viele gute Projekte. Aber ich würde das mit Vorsicht genießen, einfach so Projekte vom Bauch aus zu initiieren und sofort umsetzen zu wollen. Es gibt viele Leute, die nicht so die Ahnung haben, aber schnell mal was umsetzen wollen. Das schädigt eigentlich auch den Ruf der ganzen Szene.
Das ist auch ein Grund für unsere geplante Tagung. Wir wollen wirklich versuchen, den Ruf und die Qualität in der ganzen Solarenergieszene zu verbessern, vor allem in der Entwicklungszusammenarbeit.
Wenn ich sehe, wie heute Herr Dimpl vorgetragen hat, fand ich das schon sehr gut. Das Geld, hat er mir gesagt, soll wieder aufgehoben werden - im nächsten Jahr schon. Dann gibt es den GATE nicht mehr. Ich fand GATE gut, weil es eine Stelle ist, die 20 Jahre Erfahrung hat mit Kleinprojekten und die auch sagen kann: In der Richtung ist es gut – in der Richtung ist es nicht gut.
Wenn das dann weg ist, geht´s wieder mehr in die Richtung, dass jeder sein Süppchen selber kocht und eben versucht, sein Projekt selber durchzukriegen. Da wird dann eine Organisation fehlen, die Projekte einerseits finanziert, andererseits aber auch Bedingungen stellt. Wenn man ein Projekt machen will, dann muss man auch einen technischen Brief schreiben, damit das Know-how auch verbreitet wird.
So war das geordnet und geregelt - auch von der Qualität her. Jemand, der wusste, in welche Richtung es gut läuft, der zwanzigjährige Erfahrung hat. Wenn ich jetzt mit meiner Solarthermie komme, habe ich von der technischen Seite her die Erfahrung – aber von der Entwicklungszusammenarbeit bin ich nicht der perfekte Mann. Da würde ich gern zu Herrn Dimpl gehen, der dann ein guter Berater für mich ist. Wenn man so was langfristig machen möchte, ist das schon nötig.
Hermann Scheer hat auch vom Aufbau einer „internationalen Agentur für erneuerbare Energien“ gesprochen. Wenn jetzt in Zukunft so was ins Leben gerufen wird, wäre das gut.
Ja, jeden Tag – vier Wochen lang. Das ist eine ganz andere Welt. Einmal funktioniert die Kupplung nicht, dann kann ich keine Dollar umwechseln, weil die meinen Dollar nicht kennen, dann gibt es kein Benzin, dann reißt einer sich die Hand auf, dann haben wir einen Unfall oder einen Brand.
Wir hatten mit 28 Lehrern ein Ausbildungsprojekt – das war eine Sommerschulung für die Berufsschullehrer von Eritrea. Das wurde von einer italienischen Organisation mitorganisiert, von der Don-Bosco-Schule mit technischen Berufsschullehrern. Da hatten wir das erste Mal das Thema Solarenergie. Wir haben die Thematik der Solarwarmwasseranlagen durchgesprochen. Später haben wir E-mails ausgetauscht - und jetzt machen wir wieder eine Sommerschulung, mit den Themen Computer, Automobil, Management.
Wir haben letztes Jahr auch eine Tagung gemacht, aber nur mit technischen Beispielen. Das kam uns dann ein bisschen so vor, als hätten wir eine Berieselung von schönen Projekten. Also, wie schön ist doch die Solarenergie - und was da alles toll läuft.
Wir hatten wir in Basel vor 2 Jahren die Sun21 – eine jährliche internationale Tagung zur politischen Sichtweise von Solarenergie. Und da habe ich einen Besucher aus Eritrea gehabt, der war dagesessen und hat sich angehört, was von den Ländern Afrikas kam. Die haben alle nur ihre Probleme erzählt. „Wir haben Probleme mit Diamanten und Öl und wir haben das und das Problem, wir haben das Hungerproblem...“ Der Mann aus Eritrea hat gesagt: Was soll ich hier eigentlich? Das weiß ich doch selber, dafür brauche ich nicht hierher zu kommen.
Ich denke deshalb, dass man eine Mischung finden muss. Realitätsnah bleiben und trotzdem laufende Projekte zeigen. Eure Tagung hier war schon ein guter Ansatz. Heute zum Beispiel. Das waren sehr pragmatische Vorträge, die fand ich wirklich gut.
Gestern war es mehr abgehoben – besonders am Morgen, als es um Solarkocher ging. Die schöne Funktion vom Solarkocher haben sie da gezeigt. Da müsste man doch konkreter die Problematik ansprechen: Wie können wir da weitermachen? Gerade auch mit dem sozialen Aspekt.
Beim Solarkocher geht die Frage immer um das Soziale. Also, wenn ich mich an meine Mutter erinnere, als sie ihre elektrische Brotschneidemaschine gekriegt hat... Diese Maschine war erst mal 2 Wochen in der Ecke gestanden. Das ist mit den Solarkochern in Afrika nicht anders.
Ich arbeite ja im thermischen Solarenergiebereich. Ich habe auch in einem Verein mitgemacht, wo man Sonnenkollektoren baut. Studiert habe ich Maschinenbau. Und ich frage mich immer: Was können wir da eigentlich einbringen?
Wir haben in Eritrea Leute vor Ort – besser gesagt, ein Ehepaar. Sie kommt aus Bremen und er ist Eritreer. Er hatte in Hamburg Wirtschaftsingenieurswesen studiert. Sie haben jetzt seit 4 Jahren eine Produktion von Personenbussen, also Stadtbussen dort. Und sie sind jetzt wirklich interessiert daran, Solaranlagen zu bauen. Und das machen wir zusammen, mit einem wirklich großen Risiko.
Der Bruder des Mannes ist jetzt auch runtergekommen – er hat seine Arbeit bei Mercedes gekündigt. Sie haben einen Container mit Kupferrohr eigenfinanziert. Wir haben dann die Maschinen mitfinanziert, die Schweißgeräte. Die braucht man für die Boiler.
Der Kollektor ist wirklich easy zu bauen - wir wissen jetzt, wie das geht. Aber den Boiler vor Ort herzustellen – da ist viel Maschinenbau dabei. Wir müssen Werkzeuge herstellen, die die Bleche biegen. Wir wollen nicht einfach Boiler bauen, die vielleicht gerade für Afrika taugen, sondern wir haben die Idee im Hinterkopf, dann auch wirklich zu exportieren. Das ist ein hoher Anspruch.
Ja, ich habe schon mit ihm gesprochen. Er hat mit seine Erfahrungen erzählt. Aber er hat auch gesagt, sie hätten die Boiler gar nicht innen beschichtet. Und wenn man gar nichts innen macht, dann rosten die auch hier ruckzuck durch.
Es ist eine große Verantwortung, auch für uns. Ich denke dann selber oft: So ein Mist! Ich will oft am liebsten die Finger davon lassen. Ich will mich da nicht auf Glatteis begeben, wo ich nicht sicher bin, ob das überhaupt klappt.
Wir hatten im letzten Jahr eine Gesundheitsstation besucht, die wirklich am Abend mit Petroleumlampen operiert haben. Da haben wir gesagt: Okay, da können wir eine Photovoltaikanlage finanzieren, da haben wir noch etwas Geld übrig – von den Spenden für das Warmwasserprojekt. Damit haben wir dann für 2 Schulen und 2 Gesundheitsstationen die Beleuchtung mitfinanziert.
Aber jetzt stellt sich auch wieder die Frage: Wer finanziert als nächstes dann die Batterien der Gesundheitsstation? Das sind ja nicht private Leute, die das bekommen haben, die das dann auch mitfinanziert hätten. Also müssen jetzt erst mal Strukturen aufgebaut werden. Man muss sich zusammensetzen und sich fragen: Wer finanziert später die Batterien? Das sind Dinge, die noch offen sind.
Da habe ich einfach auch ein Fragezeichen im Kopf, wenn ich höre, daß jetzt ein 100-Millionen-Euro-Projekt in Photovoltaik und ländliche Elektrifizierung laufen soll. Ich finde es zwar ganz gut, aber man muss immer auch überlegen: Wie finanzieren wir die Batterien langfristig? Man braucht alle 3-5 Jahre neue Batterien. Das ist eine Sache, die noch ungelöst ist.
Deswegen gehen wir mit der lokalen Produktion in eine pragmatische Richtung. Da können wir sagen: Das ist eine Technik, die funktioniert. Zum Beispiel die Schwerkraftanlagen, die die Israelis und Griechen schon x-mal gemacht haben. Dieses System funktioniert einfach. Da muss man nur noch die Boiler produzieren – und das ist auch keine Hexerei. Boilerproduktion gibt es auch hier in Europa.
Wir haben jetzt eine Firma, die uns das Email für die Emailbeschichtung liefert für 2,50 Euro das kg. Wir haben im Moment noch nichts anderes als Epoxidbeschichtung. Email muss man brennen, das ist ein Entwicklungsschritt mehr. Wir müssen deshalb im Hof noch umbauen. Das Epoxid kostet 25 Euro das kg. Mit Email können wir schon wieder um ein Zehntel den Preis drücken.
Wir haben auch jetzt versucht, die Isolation von Kollektor und Boiler aus Baumwolle zu machen. Bisher machen wir sie aus Steinwolle. Diese müssen wir aber einführen.
Wir haben schon mal die Baumwolle in den Ofen reingesteckt, bei 140 Grad, den ganzen Tag - und das schaut gut aus. Also können wir die lokale Baumwolle für die Kollektorisolation verwenden.
Für die Boilerisolation müssen wir noch schauen, weil Baumwolle sehr schnell verrottet ist, wenn sie nass wird. Wir müssten dafür den Boiler so dicht bekommen, daß erst gar kein Wasser austritt. Der Boiler muss dann mit Folien vakuumverschweißt werden, bevor die Blecheinfassung drankommt. Das sind alles Technologien, die aus Europa bekannt sind.
Als nächsten Schritt haben wir vor, dort zu produzieren, wo ein Bedarf dafür besteht. Aber dafür wollen wir Hundertprozent sicher sein, dass die Technologie auch funktioniert. Bevor wir das nicht wissen, wollen wir nichts ins Land bringen.
Ich sehe immer wieder, dass wir im Moment Leute in der Schweiz haben, die uns ein bisschen diktieren wollen, wie wir unsere Sache anpacken sollen. Das geht auch ins politische. Wir sollen die Industrie einbinden. Aber wenn wir jetzt Ideen haben, wie wir die Industrie einbinden können, geht uns das wieder zu sehr in die Photovoltaik-Richtung.
Auch wenn wir die Industrie fragen „Macht ihr mit?“ funktioniert trotzdem nichts, kommt nichts. Die können einfach auch nichts bieten, weil kein interessanter Industriezweig da ist.
Das Einzige, was mir bei Tagungen wirklich wichtig ist, ist der Austausch. Dass ich mich austauschen kann mit anderen Organisationen und sagen kann: Wir haben die Probleme, wir machen gerne das, was wisst ihr? Wie läuft das bei euch? Einfach wirklich den praktischen Austausch mit den Projekten. Das ist sehr wichtig.
Wir haben z.B. die AEE (Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien) Gleisdorf in Österreich, das Fraunhofer Institut in Freiburg usw. Diese Kontakte sind alle durch unsere Tagung im letzten Jahr entstanden. Das ist Gold wert für uns. Wenn ich jetzt eine Anfrage habe wegen solarer Kühlung oder solarer Trocknung, dann gehe ich ans Telefon und rufe die Leute an.
Es gibt schon Firmen in Afrika, die auch von Afrikanern geleitet werden. Sie verkaufen Photovoltaik oder Warmwasseranlagen. Aber alles nur importierte Ware. Also, es gibt schon Leute, die dort Geld verdienen.
Ich denke schon, daß Solartechnik auch in guter Qualität lokal produziert werden kann. Das wäre doch viel günstiger. Die Dreher z.B. verdienen in Afrika 300 Euro im Monat. Das ist ein guter Verdienst für diese Leute. Damit kann man viel machen, wenn man lokal produziert. Aber man muss dann immer fragen, wo die Gradwanderung ist zwischen Qualität und Pfusch.
Ich sehe das noch nicht so. Ich glaube nicht, dass man von dem Solarzeitalter reden kann. Das ist ein Hirngespinst von Idealisten, meiner Meinung nach. Man muss sich klar sein, wo man die Solartechnik einsetzen kann, wo es sinnvoll ist. Wo es nicht sinnvoll ist, muss man pragmatisch denken. Dann eben mit Öl oder Holz oder Gas. Das ist so. Das ist die Realität.
Wir sind hier eine Gruppe von 150 Leuten, die sich für Solarenergie interessieren. Wenn ich heimkomme und den Fernseher einschalte und sehe, was Pro7 oder RTL für ein Programm bringt, dann merke ich, dass die Leute auch mit anderen Sachen beschäftigt sind. Die Realität schaut eben anders aus. Wir sind eine ganz kleine Gruppe.