Solarenergie für Afrika

Konferenz in Düsseldorf vom 4.-6. September 2003

Interview mit Kpandja Oubo-Gbati

über sein Heimatland Togo, seine Erfahrungen als Asylbewerber und Flüchtling in Deutschland und seine Zukunftsaussichten

Guten Tag. Ich heißt Kpandja und komme aus Togo. Ich bin ein Asylbewerber hier in Deutschland. Seit 1994 bin ich hier und spreche französisch, englisch und bisschen deutsch auch.

Gibt es in Togo irgendwelche Solartechnik?

Nein. Also bis 1994 gab es das noch nicht.

Wie gut ist Togo entwickelt?

Entwicklung haben wir schon in Nigeria und Ghana - aber in Togo weniger. Das ist wegen unserer politischen Probleme. Das behindert die Entwicklung
Wir haben eine Diktatur. Ab 1967 haben wir gesagt: Es geht nicht mehr – wir müssen etwas ändern. Und das haben wir bis jetzt nicht geschafft. Die Armee ist hinter der Regierung und das können wir nicht einfach ändern. Aber wir versuchen es. Wenn die Politik gut ist, können auch Unternehmer zu uns kommen und diese solare Technik bringen. Aber jetzt ist es noch schwer.

Bist du als politischer Flüchtling anerkannt?

Ja. Und hier in Deutschland sind viele. Vielleicht zehntausend Menschen aus Togo. Davon sind ungefähr 40% als politische Flüchtlinge anerkannt.

Was ist mit den restlichen 60%?

Ein paar Leute sind schon abgeschoben. Es gibt viele, die immer noch hier sind, zum Teil seit 9 oder 10 Jahren – denen immer noch keine Antwort gegeben wird. Die sind immer noch da, können nicht arbeiten, haben keine Möglichkeit, etwas zu lernen. Die können nicht in die Schule gehen.

Das gilt auch für mich. Ich habe versucht, ein bisschen was zu lernen in der Volkshochschule und ich wollte in das TransSpuk-Projekt rein. Aber da hat meine Stadt Wuppertal mich enttäuscht. Die wollten das nicht zahlen. Ich hatte schon eine Prüfung bestanden, aber Wuppertal hat gesagt, sie zahlen das nicht.

Ich arbeite 4 Tage im Monat, das ist wie gar keine Arbeit. 4 Tage auf der Messe in Düsseldorf. Für Wuppertal habe ich 10 Bewerbungen gemacht, aber die wurden alle abgelehnt. Der Arbeitnehmer hat mich genommen. Das Arbeitsamt muß bestätigen. Und die haben Nein gesagt, weil ich Flüchtling bin. Ich darf nicht arbeiten.

Was für Arbeiten waren das?

Das war Fenster putzen. Aber die haben alles abgelehnt.

Was hast du für eine Ausbildung?

Ich bin ein Elektriker. Ein Industrie-Elektriker. Ich habe 3 Jahre Ausbildung gemacht.

Was war das für eine Firma?

Das war in der Schule.

Wie alt warst du, als du nach Deutschland gekommen bist?

30 Jahre.

Wann hast du Kenntnis über solare Techniken bekommen?

Wenn man über Solarenergie spricht, spricht man über Elektrizität. Und ich bin ein Elektriker. Wir haben schon in der Schule darüber gesprochen. Aber wir hatten keine Chance, das zu sehen.

Habt ihr über Photovoltaik geredet?

Ja. Aber wir haben nicht gelernt, wie es funktioniert. Wir haben nichts davon gesehen, nur darüber gesprochen.

Welche Rolle spielt die Elektrizität in Togo?

Wenn sich unser Land normal entwickelt, kommt sehr viel Industrie ins Land. Was dann läuft, das läuft über Elektrizität, über Strom. Es gibt Leute, die zu Hause lernen und Leute, die in der Schule lernen. Und deswegen habe ich auch gesagt, ich bin Industrie-Elektriker.
Es gibt Industrie-Elektriker und Elektriker, die Licht für zuhause machen.

Bei unserer Ausbildung lernt man theoretisch und praktisch und für Maschinen in der Industrie. Wie diese Ampeln oder diese Rolltreppen. Wir können das machen.

Manche Elektriker machen nur Licht. Wenn ein neues Haus gebaut ist, machen sie dann das. Es dauert 3 Monate, um das zu lernen. So kann man auch als Schüler Jobs kriegen.
Aber das zweite oder dritte Jahr in der Ausbildung muß man mehr machen. Alles, was über Starkstrom läuft.

Wo gibt es Elektrizität in Togo?

In den Städten gibt es Elektrizität. Auf den Dörfern gibt es aber keine.

Bist du aus der Stadt?

Ja, ich bin in der Stadt geboren. Ich habe aber viel Dörfer besucht. Da habe ich Verwandte und Freunde. Meine Schwester war Kauffrau. Sie kaufte Kartoffeln oder Mais von den Dörfern. Manchmal ging ich mit. Die Sachen wurden dann mit dem Auto in die Stadt transportiert.
In den Dörfern, die ich kenne, gibt es keine Elektrizität.

Gehen viele jungen Leute vom Dorf in die Stadt?

Ja, das machen viele. Die kommen alle in die Stadt, um Arbeit zu finden. Das Problem ist: Die haben kein Geld. Manche sind nicht qualifiziert, und dann gibt es keine Arbeit. Am Ende gibt es Straßenkinder und Leute, die auf der Straße sind. Es gibt auch Zimmer, in denen zehn Leute wohnen. Oder die Leute schlafen in der Stadt oder an ihren Arbeitsplätzen.

Entstehen um die Städte herum auch Gebiete, wo Leute, die in einfachen Hütten wohnen? Also Slums?

In den Städten gibt es keine Hütten. Aber in den Dörfern gibt es noch Hütten.
Die Leute haben Probleme in den Städten. Auch mit dem Essen. Wenn die Leute keine Arbeit haben. Aber in Afrika gibt es Solidarität. Das haben wir immer noch. Wenn einer Essen hat, dann bedeutet das für fünf oder für zehn Leute Essen.

Gibt es in Deutschland weniger Solidarität?

Nicht nur in Deutschland. In Deutschland bleiben die Leute prüde aneinander. Die kommen nicht näher aneinander. Man wird nicht gefragt. Man kann nicht wissen, wer welche Probleme hat. In Deutschland kann man auch nicht eine zweite oder dritte Person in die Wohnung nehmen, ohne daß der Vermieter das erlaubt. Bei uns ist das egal.

Unsere Familie ist zum Beispiel sehr groß. Nicht alle sind aus einer Stadt. Wenn man etwas gekocht hat, ruft man die anderen an. Das kenne ich nicht aus Deutschland. Aber zwischen den Afrikanern in Deutschland gibt es Solidarität. Egal, aus welchem Land die kommen.

Am Anfang waren wir acht Leute aus Togo in einem Zimmer hier. Das war in Wuppertal im Asylbewerberheim. Ein 60 qm-Zimmer. Das war 1995. Danach kamen Afrikaner aus Nigeria und von der Elfenbeinküste. Wir waren alle zusammen. Danach habe wir Leute aus Ghana kennengelernt, die hier schon wohnten. Dann habe ich auch Kameruner kennengelernt. So ist das entstanden.

Durch das Netzwerk (NAVGD) habe ich noch Leute aus Guinea kennengelernt. Wir haben in Wuppertal auch afrikanische Läden aus Guinea.

Was würdest du gerne hier in Deutschland machen?

Ich würde gerne eine Arbeit als Elektriker finden oder mich in meinem Beruf weiterbilden lassen. Es wäre sehr schön, wenn ich diese Möglichkeit hätte.

Ich habe schon am Anfang gesagt: Wer über Solarenergie spricht, spricht über Elektrizität. In Togo gibt es auf dem Land kein Strom und es gibt keine Möglichkeit, Strom zu machen. Es ist sehr wichtig, daß Leute diese Solartechnik kriegen. Aber welche Möglichkeiten haben sie? Diese Leute sind arm und haben keine Verbindungen. Wir brauchen Organisationen, die uns helfen, damit wir das machen können.

Wie würdest du vorgehen?

Erst einmal diese Leute sensibilisieren. Den Leuten diese Geräte zeigen und erklären, wie das möglich ist. Ich denke, das würde alle Leute interessieren.

Was würde die Leute am meisten interessieren?

Das Licht würde die Leute zuerst interessieren. Auf dem Land gibt es ja nur Petroleumlampen. Sonst nichts. Und das Petroleum kostet bei uns jetzt viel. Sogar in der Stadt gibt es Leute, die noch Petroleumlampen benutzen. Wenn der Strom zu teuer ist. Manche Leute können das nicht bezahlen.

Würden diese Leute Solarlampen mieten, wenn die Möglichkeit gegeben wäre?

Ich bin jetzt schon 9 Jahre in Deutschland und weiß nicht, was Petroleum zur Zeit in Togo kostet. Die Leute wollen immer alle Kosten vergleichen. Wenn die monatlich 4 oder 5 Liter Petroleum zahlen müssen und die können sich eine Solarlampe dafür mieten, dann werden die das tun. Man muß den Leuten das alles erklären. Wo sie Vorteile haben. Dann haben sie auch Interesse. Die werden alle Kosten vergleichen. Wenn die Petroleumlampen billiger sind, werden die Leute aber bei denen bleiben.

Aber es wäre am besten, wenn man das alles durch die Steckdose machen kann. Weil die Leute auch Geräte haben, Radio, Fernseher. Manche Leute wollen sich einen Fernseher kaufen, haben aber keinen Strom. Wenn man Fernseher und Radio anschließen kann, wäre das sehr schön.

Sind die Leute auch sparsam mit dem Petroleum?

Ja, ja. Die Lampe wird um 19 Uhr angemacht. Mitternacht machen sie das aus. Aber wenn eine Frau ein kleines Kind hat, ist das eine besondere Situation. Viele brauchen das Licht auch zum Lernen. Schüler brauchen mehr Petroleum. Sonst sind wir sparsam. Am Tag brauchen wir natürlich kein Licht.

Wie wird gekocht?

Es wird mit Holz gekocht. Aber in diesen Dörfern gibt es noch viel Holz.
Ich habe auch schon die Parabolspiegelkocher gesehen. Aber ich denke, die Leute aus Togo können keinen Parabolspiegelkocher kaufen. Das ist denen zu teuer.

Verschwinden die Wälder langsam in Togo?

Ja, die Wälder werden weniger. Aber die Leute können gar nichts machen. Die Frauen gehen schon sehr weit, um dieses Holz zu kriegen. Sie haben aber keine Chance, diese Solarkocher zu kriegen. Es gibt viel Sonne bei uns. Aber die Leute können sich solche Solarkocher nicht leisten. Wir müssen ein System finden, damit diese Leute solche Sachen kriegen können.
Das ist das Problem.

Hattest du geplant, nach Deutschland zu kommen?

Nein. Ich war auch sehr enttäuscht, das erste Mal. Ich hätte nie gedacht, daß ich einmal nach Deutschland komme. Ich habe nie daran gedacht, hier in Europa Asyl zu machen. Ich bin nicht gekommen wegen Frauen oder Geld oder wegen so etwas. Ich wollte Asyl haben.

Früher habe ich nie daran gedacht. Ich habe nur gehört: Asyl, Asyl. Aber was ist Asyl? Ich wusste das nicht.

Ich bin hierher gekommen – hatte aber keine Chance zu arbeiten. Ich bin total kaputt. Meine intellektuelle Fähigkeit ist schon zu 50% weg. Ja klar!
Ich habe Asyl gemacht, weil ich dachte, daß ich in Togo ins Gefängnis komme oder vielleicht getötet werde. Ich finde, man kann nicht sagen: Ich will Asyl, aber ich will nicht arbeiten oder mich weiterbilden. Nein!
Ich weiß, man muß weiterkämpfen. Deswegen wollte ich weiter lernen. Vielleicht kann ich morgen etwas für Deutschland tun oder meine Kinder können was werden. Viele Afrikaner sind schon Deutsche und machen etwas für Deutschland hier. Zum Beispiel Asamoah aus Ghana. Er ist ein Vorteil für Deutschland. Er ist als kleiner Junger hierher gekommen – und hat jetzt schon viel für Deutschland gemacht! Das wollte ich auch machen.

Für mich gibt es keine Ausländer auf dieser Welt. Diese Welt gehört Gott und jeder ist Ausländer überall. Weil wir hier leben und sterben. Wir sind einige Jahre hier und dann – weg.

Ich bin aus Wuppertal. Ich habe einen Antrag gemacht, um zu arbeiten – Nein! Bisschen ausbilden – Nein! Was kann ich denn machen jetzt? Was werde ich denn in meinem Leben?
Ich habe schon eine Ausbildung. Ich kenne Kollegen aus Bayern, die auch Elektriker sind. Die haben in Bayern Anerkennung gekriegt. Die haben sich 6 Monate weiterbilden können als Elektriker. Die Leute hier denken aber, wir sind Straßenkinder.

Ich glaube nicht, daß das stimmt.

Ich merke schon, daß die Leute denken, ich war nicht in der Schule. Sie denken, ich bin nicht ausgebildet. Es gibt Leute, die nicht in der Schule waren oder keine Ausbildung gemacht haben. Aber nicht alle. Ich kann nur für mich sprechen. Es gibt vielleicht Leute, die hier nur Geld suchen. Aber es gibt auch Leute, die richtig verfolgt sind.

Kannst du die letzten Etappen beschreiben, bevor du nach Deutschland gekommen bist?

1994 hatten wir einen Wahlkampf gemacht. Da habe ich teilgenommen. Ich habe als Elektriker eine Rolle gespielt. In den Dörfern habe ich gesagt: Ihr habt kein Strom. Wir müssen in den Dörfern überall auch Wahlkampf machen.

Wir hatten eine Batterie. Unser Auto hatte eine Batterie. Wenn wir in den Dörfern waren, dann machten wir das Auto auf und dann verkabeln wir das mit dem Mikrophon und konnten dann laut sprechen.
Da haben wir auch alte Leute sensibilisiert. Wir sagten, daß unser Land Entwicklung braucht. Was die Regierung falsch gemacht hat. Wo wir eine Änderung wollen. Dann haben aber einige Leute von der Regierung gesagt, wir sollen dort nicht mehr hingehen - wir machen dort die Leute dort schlau.

Wir sind einmal verhaftet worden in meiner Heimatstadt Bassar. Ein paar Kollegen sind gestorben, paar Kollegen sind in die Stadt geflüchtet, z.B. Yaktabode Kissao. Auch mein Cousin, der schon Lehrer war. Dann bin ich nach Lomé geflüchtet, zu einem Onkel für 3 Monate. Aber Togo ist so klein. Die Regierungsleute von Lomé und Bassar kennen sich schon.

Einmal - ich kannte damals Lomé nicht so gut – kamen gegen 19 Uhr fünf Leute zu mir. Ich wollte gerade ein Taxi nehmen, da stiegen sie auch ein. Aber durch ihren Haarschnitt habe ich gemerkt, daß die aus der Armee sind. Sie haben mich nach meinem Namen gefragt. Dann habe ich meinen Namen gesagt. Die haben mir die ganze Fahrt über Fragen gestellt. Eine Frage habe ich nicht beantwortet, dann haben sie mich angefangen zu schlagen. Dann bin ich weggelaufen. Ich kannte aber Lomé nicht so richtig. Ein anderer Taximann hat mich gefunden und hat mich in mein Parteizentrum gefahren. Dort habe ich meine Geschichte erzählt und sie merkten schon, daß das die gleichen Leute sind, die mich verfolgten.
Dann habe ich gesagt, wo ich in Lomé gewohnt habe. Sie haben mich dahin geschickt. Dann haben sie mir meinen Reisepass gemacht. Ich hatte noch meine Parteikarte in Bassar.

Ich habe eine Freundin, die mit der Schreibmaschine schreiben kann. Da hat sie mich als Parteimitglied auf eine Liste geschrieben und der Parteivorsitzende hat seine Unterschrift gegeben. Dann hatte ich meine Karte. Meine Partei hatte dann einen Reisepass gemacht. Das wusste ich aber nicht. Dann haben sie mich nach Benin geschickt. Ich wusste nicht, daß ich nach Deutschland komme!

Ich bin dann nach Moskau geflogen. Da waren Afrikaner, die nach Frankfurt gefahren sind. Ich bin als einziger Afrikaner dann nach Köln gekommen. Die haben meinen Pass gesehen und ich habe gesagt, daß ich Asyl machen möchte. Die haben mich sofort verhört, 3 Stunden lang.

Da war ein Franzose, der beim Sicherheitsdienst dort gearbeitet hat. Der hat mir gesagt: „Die wollen eine Entscheidung für dich treffen. Wenn du Glück hast, bleibst du hier. Aber wenn du kein Glück hast, wirst du sofort zurückgeschickt“.

Dann wurde ich in ein Zimmer geschickt, musste mich nackt ausziehen und wurde kontrolliert, ob ich irgendwo Drogen habe. Dann hat man mir eine Banane zum Essen gegeben. Dann hat der Franzose gesagt: Du hast Glück und bleibst hier. Aber, du musst Asylantrag machen. Aber wo? Keine Ahnung.

Ich spreche englisch und französisch. Er hat gefragt: „Hast du Geld?“ Ich hatte ein bisschen. Er sagte: „Sie können in Köln irgendwo Asylantrag machen“. Er hat mich dann freiwillig im Auto mitgenommen bis dahin, wo ich Asylantrag machen konnte.

Dann habe ich dort den Antrag gestellt. Da habe ich auch ein paar Togoer gesehen. Nach 2 Wochen haben sie mich nach Lüdenscheid geschickt. 3 Wochen bin ich dort geblieben und dann haben sie mich nach Wuppertal geschickt.

Hattest du dich von deinen Eltern noch verabschieden können?

Mein Vater ist gestorben, bevor ich aus Togo gegangen bin. Von meiner Mutter habe ich mich verabschiedet. Sowieso ist da ein Papier gewesen, daß wir wegmüssen, sonst werden die Häuser bombardiert.

Die können aber nicht unsere Häuser bombardieren, weil diese Häuser nicht nur meinen Eltern gehören. Es gibt in meiner Familie Leute, die nicht in der Opposition sind. Die haben keine Partei. Die können nicht diese Leute einfach töten.

Wie heißt deine Partei?

CAR. (Comitee d´action pour le renouveau)

Wieviele Geschwister hast du?

Ich habe 5 Schwestern. Aber die habe ich nicht angegeben. Ich habe nur eine Schwester angegeben.

Bei uns in Afrika ist es so, daß alle, die von unseren Ur-Ureltern den Namen tragen, sind wie Familie. Alle Männer geben den Namen weiter. Wenn das so weitergeht und man nicht aufpasst, dann werden nach ein paar Generationen sich nicht mehr alle Familienmitglieder kennen. Trotzdem haben alle den gleichen Namen und sind die gleiche Familie. Aber wir kennen uns nicht mehr.

Man hat mir gesagt: „Es gibt auch eine Frau Ougo-Gbati hier“. Ich wusste das nicht.

Telefoniertst du oft mit deiner Mutter?

Ja. Aber das Problem ist: Ich weine immer, wenn ich mit ihr telefoniere.
Sie sagt immer: Durchhalten. Wenn du hier geblieben wärst, würde ich nichts mehr von dir hören. Es gefällt mir, daß ich von dir höre. Ich weine wegen meiner Zukunft hier. Weil es keine Chance für mich hier gegeben hat.

Man spricht immer von Hilfsorganisationen hier in Europa. Denkst du, meine Mutter bekommt diese Hilfe? Nein.
Was wir hier leisten für unsere Familien, ist mehr als das, was diese Hilfsorganisationen machen. Ich schicke jeden Monat 50 Euro zu meiner Mutter. Meine Mutter wird nie von diesen Hilfsorganisationen hören, weil dieses Geld nur an große Leute geht. Trotzdem gibt es Leute, die nichts zum essen haben. Meine Mutter isst von mir. Sie hat nicht in der Stadt gearbeitet, sie hat keine Rente.

Sie isst von mir – d.h. ich mache schon was für Afrika. Manche Leute sprechen von Wirtschaftsflüchtlingen - wenn man 50 Euro an seine Mutter schickt, zum leben oder um zum Doktor zu gehen. Bei uns gibt es keine Versicherung. Wenn du kein Geld hast, stirbst du.
Ich bin nicht hierher gekommen, als Flüchtling, um Geld zu machen. Nein! Meine Mutter hat mich geboren und ich muß ihr helfen.

Und meine Mutter braucht das Geld nicht alleine. Die hat auch Verwandte oder Freunde. Die sind auch dankbar. Trotzdem arbeite ich nicht. Ich arbeite nur monatlich 4-6 Tage. Aber ich bekomme Sozialhilfe. Von dieser Sozialhilfe schicke ich monatlich 50 Euro an meine Mutter.

Obwohl ich ausgebildet bin, kann ich nicht arbeiten. Wenn kein Deutscher oder Europäer diese Arbeit will, können wir diese Arbeit machen. Mehr geht nicht.
Ich bin jung und nicht krank. Ich will auch arbeiten und Steuern für behinderte und kranke Leute zahlen. Das ist meine Idee. Aber die haben mir keine Chance gegeben. Die haben gesagt: „Du sollst zuhause bleiben und Sozialhilfe beziehen“. Von diesem Geld muß ich essen und meine Mutter bezahlen.

Du hast doch auch quasi eine deutsche Familie. Wie ist das gekommen?

Ja, ich bin Christ. Mein Name ist auch Josef. Wir haben uns 1995 in der Johanneskirche in Wuppertal kennengelernt. Sie sind zu mir gekommen.
Ich habe 2 Namen, weil mein Vater Christ war. Er hat uns aber nicht zur Religion gezwungen. Er hat gesagt: Jeder soll machen, was er will.

Wenn jemand den Namen Kpandja hört, weiß er, daß ich auch Bassar stamme. Als ich in die Kirche gegangen bin, konnte ich einen Namen von der Kirche haben. Einen, den ich will. Ich habe Josef genommen. Meine Mutter kann Kpandja oder Josef sagen. Meine Kollegen können auch beides sagen.

Damals war keine afrikanische Gemeinde in Wuppertal. Sie haben mich nach Düsseldorf zum Worringer Platz geschickt. Neben der Sparkasse war ein afrikanischer Laden. Sie haben mir immer 50 Mark gegeben. Mit dem Auto kommen wir zusammen hin, dann haben sie gesagt: „Josef, kauf was du willst“.

Die Familie haben zwei Kinder. Beide sind verheiratet. Jetzt bin ich als einziges Kind dieser Familie geblieben. Ich habe sie immer Papa und Mama genannt.
Wenn ich Schwierigkeiten habe, fragt meine Mama: Was hast du denn, Josef? Was willst du, was brauchst du? Brauchst du Geld?
Sie sind Rentner und kommen aus Norddeutschland. Sie haben nicht viel Geld. Trotzdem versuchen sie immer, mir 20 Euro mitzugeben, wenn ich Schwierigkeiten habe.

Und wenn die kein Wasser mehr zum trinken haben, gehe ich mit dem Papa Wasser kaufen. Dann stellen wir die Wasserkisten in den Keller. Als ich umgezogen bin, hat der Papa mit geholfen, zu streichen. Die haben alles mitgemacht.

Mein Asylantrag ist 2000 abgelaufen. Wir hatten einen Verein hier, UTRA e.V. Wir sind der erste togoische Verein in Deutschland, der im Internet zu finden war.
Wir treffen uns in der Himmelgeister Straße jeden Monat. Ich war der Sprecher des Vereins.

Als mein Asyl abgelehnt war, bin ich ins Gericht geladen und am Ende hat der Richter gesagt: Wenn ich dich wieder nach Afrika schicke, wirst du getötet. Ich habe gesagt: Ja. Ich mache das, damit mein Land frei wird. Der Richter hat gesagt: „Okay“.
Aber nach 3 Monate habe die Behörde das abgelehnt. Das heißt: Geh! Egal ob du stirbst oder nicht. Scheißegal ist das. So sehe ich das.

Ich war als Politiker sehr aktiv. Ich habe viele Artikel in der togoischen Presse geschrieben. Deshalb habe ich Asylanerkennung bekommen.
Aber schon nach 2 Wochen kam ein Brief: Der Bundesbeauftragte hat das Asyl abgelehnt.
Warum? Keine Ahnung.