Solarenergie für Afrika

Konferenz in Düsseldorf vom 4.-6. September 2003

Warum die Ärzte in den Operationssälen Solarlampen brauchen

Dr. Diallo Boussouriou aus Guinea im Gespräch mit Morro Ceesay und Ursula Ströbele.

Wir haben uns auf der EG-Solar-Tagung in Burghausen kennengelernt; Aus welchem Grund haben Sie damals diese Tagung besucht?

Schon seit Jahren interessiere ich mich für regenerative Energien. Bei uns in Guinea ist das Thema hochaktuell, denn das Land hat praktisch keine Stromversorgung.
Die Stromversorgung ist dermaßen schlecht – das ist nicht verständlich. Es kommt häufig zu Ausfällen. Ich habe selber oft erlebt, daß es nachts kein Licht gab und Licht kann sich nicht jeder leisten. Kerosin- bzw. Petroleumlampen sind üblich, aber die hat man nicht immer in den Dörfern.
Das alles hat mich bewogen, nach Burghausen zu gehen.
Seit über 10 Jahren denke ich darüber nach, wo ich Hilfe herbekommen kann. Ich habe dann einen Deutschen getroffen, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, daß in Burghausen diese Möglichkeit besteht.
Ich war dieses Jahr dann zum ersten Mal da.

Ist Guinea ein sehr sonnenreiches Land?

Ja, Guinea befindet sich direkt über dem Äquator, zwischen dem 8. und dem 11. Breitengrad. Wir haben sehr viel Sonne und sehr viel Wasser.
Die großen afrikanischen Flüsse, also Niger und Senegal haben ihre Quelle in Guinea.

Gibt es Wälder?

Ja. Guinea selber ist in 4 Regionen geteilt. Es gibt eine Region, die sich Waldregion nennt. Sie grenzt an die Elfenbeinküste und Liberia, wo jetzt Krieg herrscht. Das ist ein Urwald, aber leider nimmt der Wald jetzt ab.

Ist der Brennholzbedarf der Menschen in Guinea ein Grund dafür?

Nicht nur wegen dem Brennholzbedarf. Auch für landwirtschaftliche Zwecke.

Hatten Sie in Guinea Licht, als Sie aufwuchsen?

Es gab Petroleumlampen für die Nacht, manchmal Kerzen, aber in meinem Dorf gab es keine Elektrizität – bis heute nicht.
Und um 19 Uhr ist es stockdunkel.

Wie lange haben Sie in Guinea gelebt?

Ich bin seit 1966 aus Guinea weg, als ich 18 Jahre alt war. Ich bin nur 6 Jahre im Elternhaus gewesen, denn zur damaligen Zeit musste man nach der Grundschule in ein Internat, wenn man weiterkommen wollte.
Ich komme aus Wabue, das ist 450 km von der Hauptstadt Konakry. Nur dort gab es diese höhere Schule.
Ich bin mit 13 praktisch weggezogen, aber jedes Jahr natürlich in den Ferien heimgefahren.

Welche Solartechniken interessieren Sie vor allem?

Eigentlich alles, ich möchte alle Möglichkeiten kennenlernen. Das ist dringend nötig für Guinea.

Wären die Parabolspiegelkocher eine Möglichkeit für Guinea?

Ich denke schon, ich kann hier aber nichts handfestes sagen.
Das wird sich erweisen. Wir brauchen die Erfahrung damit erst mal, aber ich bin zuversichtlich.
Das ist auch ein Kostenfaktor, nehme ich an und außerdem ist man bei neuen Techniken am Anfang immer zurückhaltend. Man möchte sehen, was das leistet - bringt mir das was im Vergleich zu traditionellen Methoden?

Haben Sie schon gehört, ob es irgendwo in Guinea ein Solarprojekt gibt?

Nein. Ich habe aber eine eigene Initiative.

Haben Sie damit schon angefangen?

Wir sind dabei – wir haben schon Kontakte.
Wir haben Freunde und Bekannte dort, die wir schon angesprochen haben. Sie sollen sich umsehen und Werkstätten und interessierte Leute suchen. Wir haben die Absicht, Solarkocher dort hinzuschicken und aufzustellen und zu zeigen.
Ich habe in Burghausen diese Solarlampe gekauft. Die möchte ich dort auch vorführen.

Wie groß ist Ihre Initiative?

Wir sind hier erst mal 3 Kollegen, die fest entschlossen sind, diese regenerative Energie dort einzuführen: Monsieur Bah, mein Freund und ein zweiter Diallo.
Dieser fliegt jetzt schon am 9. August hin - eben mit diesem Auftrag von uns, dort Kontakte zu knüpfen und die Frauenorganisationen zu suchen und ihnen etwas zu zeigen.
Die Lampe gebe ich auch mit und einen Bausatz für einen K-14-Kocher.

Werden Sie im Umkreis Ihres Dorfes aktiv werden?

Es muß nicht mein Dorf sein, im Gegenteil sogar.
Beim Kollegen Diallo Gitan sind im Dorf die Frauen sehr aktiv. Sie haben schon ihre Organisation – Bauern, die das verbreiten. Schade, daß er selbst jetzt nicht hier beim Interview ist.
Mich interessiert auch die Snow-Lampe, die Herr Wais beim 1. Workshop in Göttingen gezeigt hat – weil sie den Petroleumlampen bei uns entsprechen.

Wo sollen Solarlampen vor allem eingesetzt werden, in Guinea?

Ganz verschieden. Nicht nur in den Haushalten ist Licht wichtig, sondern auch für die OP-Säle - weil es häufig Stromausfall gibt.

Es in ein Schande, daß in den Operationssälen in Guinea häufig Stromausfall ist.
Die Ärzte operieren dann mit Kerzenlicht weiter. Kerzenlicht!
Deshalb habe ich den Herrn Gartner angerufen, ob er nicht was entwerfen kann – mit Lampen drin von einer Autonomie von etwa 4 Stunden. Bei großen Operationen braucht man manchmal 4 Stunden.

Herr Gartner hat das sofort gemacht.
Er hat mir etwas entworfen. Das kann ich ihnen weiterleiten. Das kann ich jetzt meinen Kollegen nach Guinea schicken, damit sie das beurteilen können.


Haben Sie schon als Arzt in Guinea praktiziert?

Ich habe schon 2 humanitäre Einsätze gemacht – letztes Jahr und vor 2 Jahren. Dort haben wir Patienten behandelt mit schweren Verbrennungen, verunstalteten Gesichtern und wüsten Narben, also Narbenkorrektur. Ich bin da mit Interplast-Germany gefahren, die auch einen Film gedreht haben. Pro 7 hat ihn ausgestrahlt.
Ich kann den zur Verfügung stellen.
Diese Einsätze versuche ich jedes 2. Jahr zu machen.

Das ist auch ein Problem. Warum entstehen diese wüsten Verbrennungen? Weil man in Guinea Petroleum mit Benzin panscht. Wenn die Leute das anbrennen, kann es explodieren und so kommt es zu diesen Verbrennungen.
Bei Petroleumknappheit machen sie das. Deshalb sage ich: Bei Solarlampen bist du auch von diesem Problem weg.

Ich habe das erlebt, in Guinea, als wir operiert haben. Es kam auch eine Broschüre raus, die kann ich euch zur Verfügung stellen.

Gibt es Leute, die so komplizierte Techniken wie die Solarlampe ablehnen?
Eigentlich nicht, man sollte nach allen Richtungen offen sein.
Nur so kann man herausfinden, was gut ist und was nicht gut ist. Dann erst kann man ein Urteil fällen. Aber nicht von vorneherein blockieren.

Ich treffe oft Leute, die eine bestimmte Meinung haben und sagen: Afrika braucht das – und das nicht! Woher haben sie das Recht zu entscheiden?
Ich finde: Was vorhanden ist, soll man einsetzen.

Ich persönlich gehe von den Notwendigkeiten aus, vom Gebrauch. Man hat einen unmittelbaren Nutzeffekt. Man sollte das wahrnehmen und nach Möglichkeit sollte man irgendwann mal versuchen, im Land selbst zu produzieren.

Man kann ja sagen: Handys sind Hightech und die werden in Afrika gut angenommen. Aber es bleibt Afrikanern keine Wahl – weil sie kein Festnetz zur Verfügung haben.

Für mich ist es eine Revolution, daß Handys gerade diesen unterentwickelten Ländern zugute kommt.
Wenn früher jemand im Dorf erkrankte, dauerte das manchmal ein oder mehrere Tage, bis diese Nachricht zum Doktor kam. Und jetzt braucht man nur anzurufen.
Für mich hat das so einen großen Vorteil, daß ich das heute nicht mehr wegdenken möchte.
Es ist nicht möglich, daß man Hightech ablehnt.

Ich habe auch gehört, daß der Kollege Tamara aus Somalia einen Satellit für Afrika - Afrostar - hochgeschossen hat. Das erlaubt dem ganzen afrikanischen Kontinent, Radio zu hören. Man kann das doch nur begrüßen.

Die Kommunikation in Afrika muß sehr ausgebaut werden.

Man muß wissen, was in der Welt läuft.
Wissen Sie, wie das früher war? Sie mussten Radio France International hören oder BBC, um zu wissen, was in den Nachbarländern passiert. Zum Beispiel in Sierra Leone oder Nigeria.
Mein Onkel sitzt in Sierra Leone. Ich kann von ihm nichts erfahren, solange ich nicht in Frankreich telefonieren kann. Das ist doch absurd. Aber wenn wir Handys haben, können wir telefonieren.

Kennen Sie die Argumentation mancher Afrikaner, daß durch die Solartechnik aus Europa die eigenen solartechnischen Methoden verdrängt werden?

Da habe ich wenig Erfahrung damit. Ich weiß nur, daß man Nahrungsmitteln durch Trocknung an der Sonne konserviert hat. Für mich ist das auch eine Nutzung.

Es existiert außerdem die Auffassung, daß Mikrokreditsysteme die traditionellen Formen kaputt machen würden.

Ich meine, das ist zu radikal. Man sieht das in Burkina Faso, Benin und in Togo: Diese Systeme haben sich bewährt. Es gibt sogar diese Contine.
Das bedeutet: Die Frauen setzen sich zusammen, jeder gibt ein Teil, zum Beispiel jeden Monat einen Betrag. Am Monatsende bekommt dann eine Frau das ganze Geld. Das ist nichts anderes als ein Kredit.

Das wird heute noch von Gambianern praktiziert. Sogar Männer praktizieren das hier.

Das funktioniert so gut, weil die unmittelbaren Akteure das Geld bekommen. Das läuft nicht über Bürokratie, wo es Korruption geben kann. Da ist keine Bank dazwischen. Das kommt direkt den Nutzern zugute.

Ich habe auch das Mikrokreditsystem bei uns im Dorf erlebt.
Die letzten Jahren hat es überall diese Banken gegeben, auf Dorfebene. Die haben monumentale Häuser gebaut, und die haben tatsächlich einen richtigen Geldsafe oder Koffer, wo das Geld aufbewahrt wird. Die haben Verwaltung und Strukturen.

Die Bevölkerung, die Bauern und Dorfbewohner in der Umgebung – die stehen morgens auf, die haben keinen Montag, die haben keinen Sonntag, es gibt keine geregelte Arbeitszeit. Die Leute kommen gerade, wann sie kommen. Sie regeln das unter sich, das geht schon seit Jahren, sie machen Gewinne und keine Verluste und es gibt keinen Ärger.
Es ist bei Frauen mehr der Fall, daß sie in diesen Mikrokreditsystemen drin sind. Aber ich habe in Gambia erlebt, daß das mittlerweile nicht geschlechtsspezifisch vergeben wird. Männer bekommen genauso Mikrokredite.

Mikrokredite haben den Vorteil, daß sie nichts neues bei uns sind.
Das ist eine traditionelle Sache, daß man zusammen Geld auslegt und das jemandem übergibt. Das Geld zirkuliert dann.
Man kann ja kein Gewinn daraus machen, weil keine Zinsen draufkommen. Genau den Betrag, den man abgibt, bekommt man wieder zurück. Und es funktioniert wunderbar.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß andere Unternehmen in Afrika dadurch geschädigt werden. Wenn mehrere Leute Zugang zu solchen Kreditsystemen haben, dann können die sich leisten, was sie sich gerne leisten würden.
Das kommt den Unternehmern auch zugute. Das Geld wird ja vor Ort investiert.

Wenn eine Familie zum Beispiel eine Hütte bauen will und haben nicht die Mittel, um alle Materialien zusammenzukaufen.
Aber wenn durch dieses Kreditsystem das nötige Geld zusammenkommt, können sie bauen und das multipliziert sich. Die Händler können dann mehr Umsatz machen.

Sie sind beim Baukurs dabei, wo eine Warmwasseranlage hergestellt wird. Was hat Sie dazu bewogen?

Wenn ich im Krankenhaus arbeite, brauche ich sauberes Wasser, sonst kann ich die Krankheiten nicht bekämpfen, und das ist nur ein Beispiel. Im Haus halt ist es genauso. Ich kann Krankheiten, z.B. Parasiten bekämpfen, dadurch daß das Wasser sauber ist. Daß ich filtriere, daß ich entkeime. Wenn ich sauberes Wasser habe, kann ich die Gesundheit fördern.

Wie sehen Sie die Möglichkeiten eines Technologietransfers?

Ein angepasster Technologietansfer ist von Nöten. Ich kann nicht buchstäblich alles nach Afrika schicken, man muß da anpassen. Es ist natürlich ein langer Prozeß.

Ich habe letztens teilgenommen bei diesem Seminar in Göttingen und da haben Ingenieure aus Äthiopien einen Ofen vorgestellt, der mit Sägemehl beheizt wird und eine enorme Wärmewirkung hat. Die haben das weiterentwickelt, daß man sogar auf 970 Grad Celsius gekommen ist.
Das sind Öfen, die auch für eine große Familie zum Kochen ausreichen.
Die Äthiopier haben aber auch von ihrer schlechten Erfahrung erzählt. Sie haben es bis heute nicht geschafft, daß sich ihr Produkt auf dem Markt durchsetzt.
Das hängt sicher auch mit der Vertriebspolitik zusammen. Vor allem, daß sich die Menschen damit identifizieren können.

Wie effektiv die Sache ist, wird in erster Linie eine Rolle spielen.

Das sehe ich genauso: Der Nutzen des Produktes ist das Wichtigste. Wenn die Leute sehen, daß ihnen das was bringt und das tägliche Leben erleichtert, dann wird das angenommen.

Die Idee ist gescheitert, die Produkte quasi geschenkt nach Afrika zu transportieren. Was ist der Grund?

Ich sage jetzt mal meine persönliche Meinung: Geschenke möchte ich auch nicht machen.
Ich meine, daß man sich ein bisschen anstrengen muß. Wenn man alles geschenkt bekommt, dann bin ich wie ein Bittsteller, ich schulde etwas.
Wenn ich aber etwas dafür geben muß, dann habe ich auch meine Freude.
Ich habe dafür gearbeitet, ich habe etwas geschafft. Wenn es trotzdem billig bleibt, ist es gut.
Die Leute sollten aber schon in der Lage sein, das zu erwerben. Aber sie müssen dafür was tun.

Ich meine, daß Idealismus nicht hilft, manche Sachen zum Durchbruch zu verhelfen. Wer weiß, das ist einfach so eine Art Reaktion – für etwas, das unter dem Selbstbewusstsein eines Menschen liegt, das ist nicht die Lösung für Afrikas Problem. Egal, was man entwickelt im Interesse Afrikas, egal was man nach Afrika verschenkt, es wird nicht viel bringen.
Was Afrika letztendlich braucht, ist Gleichheit auf dem Handelsmarkt.
Daß die ihre Produkte selber produzieren können, seien es Agrarprodukte, seien es technische Produkte, egal was. Daß sie das vermarkten können, Geld verdienen können, die Entscheidung treffen können auf den Markt zu gehen und das zu kaufen, was sie haben wollen.
Das ist der einzige Weg, wo man sagen könnte: Das ist angekommen oder ist nicht angekommen. Fairer Markthandel muß gegeben sein.

Man sollte nicht was von hieraus entwickeln und dort hinschenken.
Man muß die Bedürfnisse der Leute ermitteln.

Wenn die afrikanischen Erzeugnisse den richtigen Preis hier bekämen, dann hätten wir manche Probleme gelöst.
Die Preise der afrikanischen Produkte werden ja auf der Börse gehandelt. Nach Angebot und Nachfrage. Man berücksichtigt nicht den Bauer. Wieviel Einsatz hatte der? Er muß seine Familie ernähren. Er muß alle seine Bedürfnisse befriedigen. Und wenn diese Erzeugnisse nichts bringen, dann hat er kein Interesse.

Und es ist noch etwas schlimmes: Man importiert nach Guinea diesen weißen Reis, der überhaupt nicht nahrhaft ist und verkauft die eigenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse ganz billig.
Der eigene Reis aber ist nahrhaft, hat Vitamine. Der importierte Reis, der sich Edelreis nennt, ist absolut nicht nahrhaft. Die Leute, die sich soviel Mühe machen, Reis anzubauen, haben jetzt kein Interesse mehr.
Der einheimische Reis wird überhaupt nicht mehr konsumiert. Keiner kauft den. Er ist teurer als der, der importiert wird. Dadurch macht man die eigene Landwirtschaft kaputt.

Afrikanische Händler haben keine Entscheidungsbefugnis auf ihre Produkte.
Ihre Produkte werden auf dem Weltmarkt von dem Käufer entschieden, wie viel er bezahlen wird, zum Beispiel landwirtschaftliche Produkte. Es gibt Einfuhrzölle, es gibt Gesundheitsbedenken auf eurer Seite, die auch den Import von Agrarprodukten behindern.
Afrika kann schlecht Agrarprodukte in Massen nach Europa exportieren. Dann kommen Subventionen von euren Bauern dazu. Das führt dazu, daß sie viel günstiger ihre Produkte auf dem Markt anbieten können als afrikanische Bauern.

Warum können wir in Deutschland zum Beispiel nur amerikanische Erdnüsse kaufen und keine aus Afrika?
Der Grund ist: Deutschland macht Geschäfte mit den USA, aber nicht mit Afrika.

Heute reden wir von Globalisierung – gestern nicht. Es gibt ja früher Kontrollstrukturen, die sehr brutal waren. Die den schwächeren Ländern den Markt total versperrt haben.
Und nun versucht man, durch Welthandelsorganisationen was zu bewegen. Aber es bewegt sich nichts. Es ist genauso, wie es in der Klimapolitik ist. Es bewegt sich kaum was.

Es ist der Tat ein Lippenbekenntnis. Im Grunde genommen, stellen diese multinationalen Konzerne eine Bremse dar für den Export der afrikanischen Erzeugnisse nach Europa.

Die multinationalen Konzerne haben kein Interesse daran. Im Gegenteil – sie wollen ihre Produkte dort absetzen.
Nehmen wir den Kaffee: Die Elfenbeinküste ist eine der produzierenden Länder. Aber das Rohprodukt muß nach Europa gebracht werden. Danach fährt es zurück in die Elfenbeinküste und ist 10 x teurer. Und man sagt dann: Du bist ein Mensch, wenn du Kaffee trinkst. Wenn du keinen Kaffee trinkst, bist du rückständig.

Guinea ist das Land mit dem drittgrößten Bestand an Boxid, Aluminium. Die USA kommt und nimmt das weg.
Guinea ist reich an Bodenschätze. Aber trotzdem ist es eines der ärmsten Ländern der Welt. Aber das sind die Weltkonzerne.

Ich habe schon mal den Vorwurf gehört, afrikanische Händler seien nicht so kundenfreundlich. Was denken Sie darüber?

Ein Unternehmer ist doch darauf bedacht, seine Produkte abzusetzen und kundenfreundlich zu sein. Ich meine, das ist ein allgemeines Gesetz.
Wie kann ein Afrikaner gegen diese elementaren Regeln verstoßen?

Jeder Geschäftsmann muß gewisse Vorkehrungen treffen. Er muß die Kundschaft pflegen. Sonst sägt er an dem Ast, auf dem er sitzt. Das gilt auf der ganzen Welt.

Warum gibt es prozentual mehr afrikanische Geschäftsleute als Techniker?

Ich denke, das muß nicht außer Acht lassen, daß die Regierung die Politik lenkt. Die Regierung müsste gewährleisten, daß Bildung und Forschung stattfindet.
Die Jugend in Guinea flieht ins Ausland. Warum? Weil es dort keine Möglichkeiten gibt, weiterzukommen. Leute, die die Universität besucht haben, finden danach keine Einstellung. Die Leute, die die Ausbildung beendet haben, finden keine Einstellung.
Die Regierung muß es schaffen, diesen Prozeß zu lenken. Die müssen forschen und arbeiten, sonst können wir uns nicht entwickeln. Das muß verstanden werden.

Ich denke, selbst Solarenergie ist eine Technologie, die Afrikaner schon früher benutzt haben. Es könnten vielleicht wunderbare Geräte zur Erscheinung kommen, wenn man in Afrika danach suchen würde.

Es gibt sicher viele Leute, die über Wissen und Ideen verfügen – haben dann aber keinerlei Möglichkeiten, das zu verwirklichen.
Die können ja keine Prototypen entwickeln, die haben keinen Zugang zu nichts.
Wie Herr Diallo gesagt hat: Es fehlen Bildungseinrichtungen, Bildungspolitik. Ich kenne ja etliche Beispiele, wo Analphabeten irgendwelche Elektrogeräte nehmen und umpolen – irgendwelche Kabel durcheinanderbringen und die Geräte umfunktionieren zum Sender oder Empfänger, oder sonst was. Und solche Menschen werden nicht gefördert. Die werden nicht mal wahrgenommen.
Und deshalb ist Afrikas Wissenschaft auf der Strecke geblieben.

Sicher sind viele Afrikaner begabt, Erfindungen zu machen. Ich habe viele junge Leute getroffen, die nicht die Möglichkeit gehabt haben, zur Schule zu gehen. Das ist traurig.

Ich bin vor 2 Jahren mit meinem Sohn in Guinea gewesen. Er war 10 Jahre alt.
Da habe ich einen Jungen getroffen, der auch 10 Jahre alt war. Er hat Schuhe geputzt. Ich habe ihn gefragt: Warum putzt du Schuhe? Du bist erst 10 Jahre und gehst nicht zur Schule!
Er hatte aber keine Möglichkeit. Die Eltern haben keine Mittel. Er ist vom Dorf nach Konakry gekommen und dort bestreitet er sein Leben mit Schuheputzen. Mit 10 Jahren!
Daneben waren 2 andere Jungs, die sich unterhalten haben. Einer sagte: Schade, ich habe keine Möglichkeit gehabt, eine Schulbildung zu genießen. Und wenn man heute keine Schulbildung hat, dann ist man ausgeschlossen.
Das hat mir so weh getan, aber das ist eben die Situation dort.

Ich weiß, daß es nicht überall in Afrika so ist. Es gibt bei bestimmten Regierungen Ansätze zur Verbesserung. Im Senegal Ansätze, in Mali, in Ghana, in Togo, in Benin sowieso, in Nigeria.
Also, es ist sehr differenziert. Man kann nicht verallgemeinern. Aber die Situation ist, daß die Regierungen nicht darauf bedacht sind, die Jugendlichen auszubilden, damit sie arbeiten können.

Ich wollte nicht politisch werden, aber man ist zwangsläufig damit konfrontiert.