Solarenergie für Afrika

Konferenz in Düsseldorf vom 4.-6. September 2003

Interview mit Vertetern von ULOG

Die Grundauffassung über den Einsatz und die Verbreitung des Boxkochers sind stark unterschiedlich. Auf der einen Seite besteht die Meinung, dass eine Verbreitung und zugleich auch eine Beschäftigung in Afrika dadurch gesichert und erweitert werden kann, dass die Boxkocher dort produziert und gebaut werden.Die Gegenseite jedoch ist der Ansicht, dass industriell produzierte Boxkocher nach Afrika geliefert werden müssten, um damit zu einer ökonomisch günstigen Verbreitung zu gelangen.

Was sind die technischen Argumente für eine Produktion von Boxkochern außerhalb Afrikas?

Dr. Michael Götz: Für kurzfristige und sehr schnell anzulaufende Aktionen (Katastrophenhilfe, Flüchtlingslager) sinnvoll.

Dipl. Päd. Behringer: Zudem kann es sinnvoll sein, wenn es um Einführung und Werbung für die Solarkocher geht. Ein schlechtes Produkt ist absolute Negativwerbung. Längerfristig sollen Solarkocher aus einer sozialen und nachhaltigen Entwicklungsperspektive möglichst immer vor Ort produziert werden. Dies hat zudem auch noch ein ökologisches Moment.

Was sind die technischen Argumente für ausschließliche Produktion in Afrika?

Götz: Boxkocher sind bewusst einfach konzipiert, damit sie (u.a.) in Afrika hergestellt werden können !

Behringer: Es stellt sich immer die Frage welches Produkt in welchem Kontext das geeignete(re) ist. Sicherlich gibt es nicht den einen „richtigen“ Solarkocher für alle Zwecke. Deshalb kann es sein, dass manche Produkte ausschließlich in Afrika hergestellt werden können. Das entspricht auch dem Ziel einer wirtschaftlichen Autonomie. Ein Transfer von Technik und Know-How soll in alle Richtungen möglich sein.

Sind Teilimporte von Material nach Afrika möglich?

Götz: In vielen Ländern werden Materialien wie Glas, Stahl oder sogar Holz importiert. Wenn schlecht aufzufindende Materialien (typischer Fall: schwarze Solarfarbe) für ein Projekt importiert wird, ist das kein 'Verrat an der Idee‘.

Behringer: So viel lokales Material wie möglich, bei Einhaltung erforderlicher Qualitätsmerkmale.
Falls erforderlich sollte Material importiert werden.

Welche technischen Fertigungsstufen könnten nach Afrika verlegt werden?

Götz: Für Boxkocher im Prinzip alle.

Behringer: Nach entsprechendem Training alle. Trainingsstandards sind dabei regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls aufzufrischen.

Ist eine Eigenproduktion von Solartechnik in Afrika gewünscht?

Götz: Ja. Aus ganzheitlicher Sicht geht es ja nicht nur um das warme Essen im Teller, sondern um ein nachhaltiges System, da gehören Arbeitsplätze dazu.

Behringer: Ja, auch wenn es einen langen Prozess erfordert. Leider sind viele Projekte zu kurzfristig und daher selten erfolgreich.

Welche Rolle spielt der Gedanke einer wirtschaftspolitische Autonomie in Afrika?

Behringer: Dahinter verbergen sich ethische und moralische Fragen. Ich glaube nicht an tatsächliche Autonomie. Aus globaler Sicht sind wir alle voneinander abhängig. Wir alle sind „Global Players“ auf einem Feld zwischen Autonomie und Abhängigkeit. Darin gilt es eine Ausgewogenheit zu finden. Für afrikanische Länder gilt in der Regel, die Autonomie zu fördern. (Das sollte dann auch politische Konsequenzen haben).

Werden protektionistische Marktstrukturen von Afrikanern bevorzugt?

Behringer: Bisher hat diese Frage bei keinem der von mir begleiteten Solarprojekte gestellt.

Können Importbeschränkungen für Afrika sinnvoll sein?

Wenn geeignete Produkte vor Ort vorhanden sind, kann das sinnvoll sein.

Werden Boxkocher in Afrika auch von der Bevölkerung lieber benutzt, wenn sie dort produziert bzw. zusammengebaut worden sind?

Behringer: Das lässt sich nicht mit ja oder nein beantworten. Wenn die Kocher den Verbraucherwünschen entsprechen, spielt es keine große Rolle mehr, woher sie kommen.
Es sei denn der Preis differiert zu sehr. Aussehen, Preis, Funktionalität und Effektivität spielen eine wichtige Rolle.

Können Sie sich, angesichts der Diskussion über bestehende Problematik von Importen nach Afrika einerseits und Fertigungsmöglichkeiten in Afrika andererseits, eine Zukunft vorstellen, bei der afrikanische Lizenzbetriebe in Afrika produzieren?
Wäre ein begleitender Aufbau einer Produktion dort möglich?

Götz: 'Lizenzproduktion‘ - allerdings ohne Lizenz - ist schon der Normalfall, ebenso der begleitende Aufbau der Produktion.

Behringer: ULOG verlangt keine Lizenzen. Eine fundierte Ausbildung und Qualitätsstandards begleiten immer den Aufbau einer Produktion.

Warum sind bisher Versuche der Produktion oder des Absatzes gescheitert?

Behringer: Viele „kleine Projekte“ sind von der Begeisterung hilfewilliger Industriestaatler entstanden. Es fehlt oft an wichtigen (Vor)Kenntnissen. Die Gründe sind zu vielfältig, um sie hier auszuführen. Entscheidend ist eine kompetente Beratung der einzelnen Initiativen, wofür es inzwischen schon genug Experten gibt. ( Dieser Kongress beweist dies)

Welche Voraussetzungen konnten nicht erfüllt werden oder waren nicht erfüllt? Welche Begrenzungen gab es?

Götz: Da könnten wir einiges dazu schreiben, z.B.:

Behringer: Danke Götz. Ich möchte verstärkend auf Marketing und Produkteinführung hinweisen.
Um wirklich zufriedenstellend mit dem Solarkocher umgehen zu können, braucht es entweder eine besondere Motivation zu experimentierendem Kochen, oder eine intensive Einführung.
Viele denken der Kocher führt sich von alleine ein, da er so einfach und genial ist. Die Frau in Afrika mag das jedoch ganz anders sehen, da dort schon seit Generationen mit Holz gekocht wird, oder die modernen und wohlhabenderen Menschen wünschen sich den Lebensstil, den sie aus dem TV kennen. Also unseren Lebensstil …

Was sind es für Erfahrungen, die Sie veranlasst haben, eventuelle Versuche nicht fortzusetzen?

Behringer: Zu kurze Projekte. Projekte, die in erster Linie von außen aufgedrückt werden. Viele afrikanische Länder haben einen koloniale Geschichte. Das heutige Extrem bezeichne ich etwas provokant: Solarkolonialismus. Das sollte es nicht sein …

Können die Afrikaner, die hier in Deutschland leben, einen Beitrag leisten zu der gewünschten Verbreitung der Boxkocher - oder würden Sie sich aufgrund Ihrer Erfahrung keine Ergebnisse versprechen?

Behringer: Es braucht klare Bedingungen und Voraussetzungen. Wenn der Wunsch des schnellen Geldes überwiegt, sollte Vorsicht geboten sein. Auch in Afrika ist es hart, ein Produkt einzuführen und einen Marktanteil zu behaupten. Ohne Anschubfinanzierung oder Vorfinanzierung sehe ich keine großen Erfolge. Durchhaltevermögen ist dabei eine wichtige Voraussetzung.

Götz: Afrikaner und Europäer können ihren Beitrag leisten, indem sie den Sonnenkocher ganz einfach benutzen und so an der weltweiten Verbreitung der Kocher teilnehmen.

Wie kann gewährleistet werden, dass der Einsatz der Solartechnik so erfolgt, dass sich nicht durch Fehleinsatz ein negatives Bild bei der Bevölkerung abzeichnet?

Götz: Nur Personen, die selber die Benutzung (und die Herstellung, in zweiter Priorität) gelernt und geübt haben, sollen in Projekten arbeiten. Wer seine Anfängerfehler im Projekt selbst macht, schadet der Verbreitung.

Behringer: Erfahrung ist ein wichtiger Faktor. Zu viele Projekte versuchen das Rad wieder neu zu erfinden. Dabei werden auch viele Fehler wiederholt.

Wäre es denkbar, einen Beratungsdienst für Boxkocher einzusetzen?
Wie müsste der organisiert sein?

Behringer: Es gibt schon verschiedene Organisationen, die in der Lage sind zu beraten. Das Internet ist ein geeignetes Medium, um Kontakte herzustellen.
Vielleicht könnte ein konkreteres Netzwerk hilfreich sein. (Gutes Thema für den Kongress)

Zum Thema Boxkocher, die als Pappkocher konstruiert sind:
Wäre das ein Einstieg, der geeignet ist, um Afrikaner an andere funktionsfähige Modelle heranzuführen?

Götz: Langlebige Produkte sind sicher besser geeignet, um ein gutes Bild vom solaren Kochen abzugeben.
Wenn ich einen Gaskocher an Haushalte verkaufen möchte, dann versuche ich nicht mit einen Campingkatuschenkocher zu werben.

Wäre ein spielerischer Umgang mit dieser Technik möglich?

Götz: Was in Europa in Schulen funktioniert, sollte auch in Afrika möglich sein.

Behringer: Spielerischer Umgang mit Solartechnik allgemein ja. Es sollte sich nicht nur auf das Kochen beziehen. Fun with the Sun ist möglich, dafür gibt es gute Beispiele.

Welche subjektive Einschätzungen bzw. Gefühle können mit einer Solarbox transportiert werden?

Behringer: Ich bin modern, ich bin Hip. – Allerdings nur, wenn der Solarkocher dieses Image hat bzw. bekommt. Das ist eine wichtige Aufgabe.

Wird die Solarbox als ein Teil von Fortschritt gesehen?

Götz: Wäre toll, wenn wir das vermitteln könnten. Der Gebrauch in Europa ist sicher ein Mittel, das anzudeuten.

Behringer: Die Solarkocher sind dabei ihr Bastelimage zu verlieren. Dann nähern wir uns dem Gefühl von Fortschritt.

Werden Boxkocher aus Metall als technische Produkte - wie Autos, Computer, Handys – wahrgenommen, die in Afrika so gerne angenommen und gebraucht werden?

Götz: Wird sich zeigen...
Behringer: Mir fehlen dazu Erfahrungswerte.
Warum gerade Metall? Es gibt auch noch andere denkbaren Materialien, z.B. Kunststoff, Holz oder Korb. Das Design ist auch sehr wichtig, nicht nur das Material.