Solarenergie für Afrika
Konferenz in Düsseldorf vom 4.-6. September 2003
Email-Interview über den LAZOLA-Boxkocher aus Leichtmetall
Die Grundauffassungen über den Einsatz und die Verbreitung des Boxkochers sind stark unterschiedlich.
Auf der einen Seite besteht die Auffassung, dass eine Verbreitung und zugleich auch eine Beschäftigung in Afrika dadurch gesichert und erweitert werden kann, dass die Bokocher dort produziert und gebaut werden.
Die in der Methode gegenteilige Auffassung meint, dass industriell produzierte Boxkocher nach Afrika geliefert werden müssten, um damit zu einer ökonomisch günstigen Verbreitung zu gelangen.
1. Was sind die technischen Argumente für eine Produktion von Boxkochern außerhalb Afrikas?
- Der Werkstoff Aluminium lässt sich von Hand nur unangemessen bearbeiten.
Die Entscheidung für Leichtmetall als Material wurde u.a. möglich, weil dieses Material heute, dank neuer Technologie, sehr vielseitig, präzise und preisgünstig verarbeitet werden kann. Die Kocherteile werden mit modernen Fertigungsmethoden gelasert und abgekantet. Das garantiert eine absolute Präzision der Teile und ein einfaches Zusammenbauen der Kocher. Die dafür erforderlichen Maschinen stehen nur in industriell hoch entwickelten Ländern zu Verfügung.
- Die zentrale, maschinelle Fertigung der Kocherteile in größerer Stückzahl senkt die Kosten für den einzelnen Kocher.
- Leichtmetall hat gegenüber (Sperr-)Holz den Vorteil, dass es, ständig der Witterung ausgesetzt, wesentlich formstabiler und verschleißfreier ist.
- Die Kocherteile lassen sich ohne großen Aufwand als Bausatz in beliebige Länder verschicken, wo die Kocher mit einfachen Werkzeugen auch von nicht fachlich ausgebildeten Laien unter Anleitung zusammen gebaut werden können. Die vorgefertigten Teile garantieren sehr funktionsfähige Geräte von langer Haltbarkeit.
- Zentrale Fertigung der Teile macht es möglich, an Orten, wo die Einführung von Kochern geplant ist, zunächst in Pilotprojekten die Akzeptanz der Kocher in kleiner Stückzahl zu testen, ehe eine Werkstatt eingerichtet wird.
- Auch das Zusammenbauen der Kocher schafft Arbeitsplätze. (Dauer pro Kocher: etwa drei Stunden nach unseren Maßstäben.) Wenn auf diese Weise die Verbreitung der Kocher erhöht werden kann, kann mehr Arbeit anfallen als wenn Kocher in kleinen Stückzahlen ganz vor Ort gebaut werden.
(Jedoch soll nicht verschwiegen werden, dass auch Probleme auftreten wie aufwendige Verpackung, hohe Transportkosten, Einfuhrzölle und, last not least, die höheren Kocherpreise. Diese Schwierigkeiten werden m.E. jedoch von den genannten Vorteilen aufgewogen.)
Was sind die technischen Argumente für ausschließliche Produktion in Afrika?
Für eine Gesamtfertigung der Kocher in dem jeweiligen Land spricht vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen, niedrigere Kocherpreise und die Hoffnung, dass die Betroffenen sich möglicherweise in höherem Ausmaß mit dem jeweiligen Solarkocher-Projekt identifizieren.
Deshalb lag dieser Ansatz auch dem ursprünglichen Lazola-Projekt zugrunde, das in Sterkspruit, einem kleinen, entlegenen Ort in Südafrika, durchgeführt wurde. Dort wurde eine Werkstatt zur kompletten Fertigung von Boxkochern eingerichtet. Ziel war, mit ausgebildeten Schreinern technisch verbesserte Kocher aus (Sperr-)Holz unter Einsatz von Kleinmaschinen in Serie zu bauen. Von Seiten der Fertigung gab es keine Probleme. Die Werkstatt wurde von einem herausragenden Schreiner geleitet.
Dass dieses Projekt dennoch nur zu mäßigem Erfolg führte, lag neben verschiedenen anderen Gründen am überschätzten Engagement des lokalen Trägers, der mangelnden Akzeptanz der Kocher durch die Bevölkerung (s. Punkt 12) und an der regionalen Begrenztheit des Projekts. Nachteilig war auch mein leider nur befristeter Aufenthalt vor Ort.
Es waren jedoch gerade die Negativerfahrungen, die mich - angeregt durch Prof. Schwarzer, Jülich - ermutigten, neue Wege zu beschreiten. Ihm verdanke ich besonders die Anregungen, als Material nicht länger Holz sondern Leichtmetall zu verwenden und den Kocher als Bausatz zugänglich zu machen.
Sind Teilimporte von Material nach Afrika möglich?
Siehe Antwort zu 1e: Die Kocher-Bausätze lassen sich im Prinzip überall hin verschicken. Ausnahmen könnten Glas und evtl. Dämm-Material bilden, falls diese Materialien lokal erhältlich sind.
Welche technischen Fertigungsstufen könnten nach Afrika verlegt werden
- Die gesamte Montage der Kocherbausätze lässt sich leicht anhand einer bebilderten Zusammenbau-Anleitung an (technisch nicht ganz ungeübte) Laien ohne besondere Fachkenntnis vermitteln; es sind dafür nur wenige übliche Werkzeuge erforderlich. Voraussetzung für den Vermittler: Teilnahme an einem eintägigen Montagekurs.
- Um die Akzeptanz des Kochers in Pilotprojekten zu testen, können auf einer Palette 5 oder 10 weitgehend montierte Kocher versandt werden. Die Endmontage erfordert nur Schraubenschlüssel und Schraubenzieher.
Welche Rolle spielt der Gedanke einer wirtschaftspolitischen Autonomie in Afrika?
Dies dürfte ein sehr hehres aber wenig realistisches Ziel sein.
Beim Kauf einer Mikrowelle etwa, die für Menschen mit Zugang zu Elektrizität sehr erstrebenswert ist, oder bei vielen anderen Angeboten, die sich heute in den entlegensten Supermärkten finden, spielt die Frage nach der Herkunft der Waren keine Rolle.
Können Importbeschränkungen für Afrika sinnvoll sein?
Für den Export unserer Kocherbausätze wäre das sehr bedauerlich.
Werden Boxkocher in Afrika auch von der Bevölkerung lieber benutzt, wenn sie dort produziert bzw. zusammengebaut worden sind?
Woher die Teile oder gar die montierten Kocher kommen, interessiert die Käufer wohl in der Regel wenig. Hingegen ist für sie wichtig, dass sie die Solarkocher, die vor Ort montiert worden sind, auch dort reparieren lassen können. – Dies ist der Grund, weshalb z.B. in Südafrika viele (teils fast neue) nicht mehr funktionierende Geräte und Billigmöbel herum liegen...
Können Sie sich, angesichts der Diskussion über bestehende Problematik von Importen nach Afrika einerseits und Fertigungsmöglichkeiten in Afrika andererseits, eine Zukunft vorstellen, bei der afrikanische Lizenzbetriebe in Afrika produzieren? Wäre ein begleitender Aufbau einer Produktion dort möglich?
In Ländern wie Südafrika oder anderen industriellen Schwellenländern gibt es vermutlich geeignete Maschinen, deren Einsatz sich aber nur lohnen würde, wenn entsprechend große Stückzahlen von Kochern garantiert werden können. Für Entwicklungsländer ist dieses Ziel völlig unerreichbar. Wichtiger wären für sie Einfuhrerleichterungen für Kocherbausätze, sichere Transportwege ohne Diebstahlgefahr und Senkung von Einfuhrzöllen.
Warum sind bisher Versuche (a) der Produktion oder (b) des Absatzes gescheitert?
Zu a) Produktion:
Bisher werden Boxkocher häufig unter fachlicher Anleitung und Mithilfe von handwerklichen Laien in Einzelfertigung gebaut. Diese Geräte erreichen nicht immer den erforderlichen technischen Standard. Und, die Menschen, wieder auf sich allein gestellt, sind kaum in der Lage, weitere Kocher anzufertigen oder vorhandene zu reparieren.
Wie in Punkt 2 erwähnt, lief die Produktion beim Lazola-Projekt in Südafrika reibungslos.
Zu b) Absatz:
Der Absatz scheitert – beim Lazola-Projekt wie auch bei vielen anderen – vor allem an mangelnder Akzeptanz. Sie hat viele Gründe.
Hier nur die wichtigsten:
- Es bestehen viele traditionelle, sehr emotional besetzte Verhaltensmuster rund um das Essen (wie z.B. bestimmte Essenszeiten, Essenszubereitung über offener Flamme, Umrühren des Essens und Bedeutung des Essensgeruchs während des Garens), die man nur aufzugeben bereit ist, wenn sie gegen größeren Komfort, wie z.B. eine Mikrowelle, eingetauscht werden können. So stand denn auch in Südafrika die anfängliche Begeisterung über die Kocher und die darin gekochten Speisen im deutlichen Widerspruch zur sehr zögerlichen Bereitschaft, einen Kocher zu kaufen.
- In der städtischen Mittelschicht, die sich am ehesten Kocher leisten könnte, sind häufig beide Partner berufstätig. Wenn die Kinder erwachsen sind, ist keine Haushaltshilfe mehr verfügbar. Die Essenszubereitung erfolgt am Abend.
- Ökologische und wirtschaftliche Erwägungen beeinflussen die Kaufentscheidung bisher nur wenig: - Wo noch Reste von Brennmaterial vorhanden sind, kann (außer Zeit) nichts gespart werden. - Wo bereits mit Petroleum oder Gas gekocht wird, verhindert mangelnde Zukunftsplanung zumeist die Einsicht, dass die Anschaffungskosten langfristig amortisiert werden können und das Kochen dann fast kostenlos möglich ist. Allerdings haben die meisten Menschen nicht das Geld, den Kocher auf einmal zu bezahlen. Nur ein bewährtes Kreditsystem kann hier Abhilfe schaffen. Das aber setzt wiederum eine intakte Sozialstruktur z.B. einer Frauengemeinschaft oder einer Pfarrgemeinde voraus, in mit ehrenamtlichen Helfer/Innen die Zahlungen auch organisiert und überwacht werden können.
- Solarkocher werden als zweitklassig empfunden, da sie in Industriestaaten nicht in gleichem Maße genutzt werden. Dass dort oft fehlende Sonne die Ursache ist, wird nicht genügend erkannt.
- Die Akzeptanz müsste sich nach dem Schneeball-System entwickeln. Dazu wäre es erforderlich, dass einflussreiche Persönlichkeiten mit gutem Beispiel voran gehen und aktive Überzeugungsarbeit leisten. Nach meinen Erfahrungen fehlt es daran bisher (vgl. Frage 6). Dennoch gibt es auch vereinzelt ermutigende Beispiele. Besonders solche Initiativen möchte LAZOLA mit dem neuen Kocher aus Leichtmetall unterstützen.
Können die Afrikaner, die hier in Deutschland leben, einen Beitrag leisten zu der gewünschten Verbreitung der Boxkocher - oder würden Sie sich aufgrund Ihrer Erfahrung keine Ergebnisse versprechen?
Mir ist ein einziges Beispiel bekannt, wie ein ehemaliger Student aus einem zentralafrikanischen Land jetzt in seiner Heimat sehr erfolgreich ökologische Initiativen ins Leben ruft. Dem gegenüber waren meine Erfahrungen mit Afrikanern in Südafrika, wie bereits erwähnt, eher entmutigend.
Welche Voraussetzungen müssen dabei gegeben sein und worauf müssten die Betreffenden achten?
„Small is beautifull“, starke persönliche Überzeugung, ökologisch orientierte Zukunftsplanung und großes Engagement.
Wie kann gewährleistet werden, daß der Einsatz der Solartechnik so erfolgt, daß sich nicht durch Fehleinsatz ein negatives Bild bei der Bevölkerung abzeichnet?
Die angebotenen Solarkocher müssen technisch ausgereift, attraktiv und bezahlbar sein. Misserfolgserlebnisse mit dem Kocher sollten möglichst vermiedene werden.
Wäre es denkbar, einen Beratungsdienst für Boxkocher einzusetzen? Wie müsste der organisiert sein?
Vor Ort müssen Personen, die Kocher montieren und verkaufen, beratend und unterstützend tätig sein (vgl. Punkt 9). Beim Umstellen auf Solarkocher geht es nicht in erster Linie um das Erlernen der Handhabung des Kochers, sondern um neue Einstellungen und das Aufgeben altgewohnter Verhaltensmuster.
Zum Thema Boxkocher, die als Pappkocher konstruiert sind: Wäre das ein Einstieg, der geeignet ist, um Afrikaner an andere funktionsfähige Modelle heranzuführen?
By no means... Pappkocher können in temporären Notsituationen einen guten Dienst erfüllen, nicht aber, wo Menschen für den Kauf von Kochern motiviert werden sollen (vgl. Punkt 18 und l9).
Wäre ein spielerischer Umgang mit dieser Technik möglich?
Ja, z.B. in Schulen oder gar schon im Kindergarten. So könnte experimentell erkundet werden, was man alles mit dem Kocher machen kann. Das aber setzt persönliche Überzeugung und Begeisterung der Erzieher/Innen voraus, wodurch Kreativität freigesetzt wird.
Werden Boxkocher aus Metall als technische Produkte - wie Autos, Computer, Handys – wahrgenommen, die in Afrika so gerne angenommen und gebraucht werden?
Bei Boxkochern aus Sperrholz ist das nur bedingt der Fall. Beim Leichtmetall-Kocher könnte sich die Chance erhöhen. Aber auch da herrscht noch die Meinung vor, es handle sich eben um ein Gerät der Reichen für die Armen... Vgl. Punkt 12b.
Wir danken Ihnen für das Interview.