Morro Ceesay: Wenn es darum geht, dass man Fachleute im praktischen Bereich ausbildet, dann könnten es eher die Leute sein, die hier keine Ausbildung haben, die in Schwierigkeiten stecken, die keinen Job haben - solche Menschen könnten ein Instrument sein für ein solches Projekt.
Dass man diese Leute in ihrer Frustsituation auffängt und die Chance anbietet, einen neuen Weg zu gehen.
Ursula Ströbele:Das NAVGD ist nicht eine Art Hochschulgruppe sondern ist viel breiter angelegt - und möchte sich den Leuten zuwenden, für die das Thema Solartechnik auch von praktischem Interesse ist.
Die Afrikaner, die sich mit der einfachen aber wichtigen Tätigkeit befassen wollen, die praktische Verbreitung von Solarenergietechnik in Afrika voranzutreiben, werden keine akademische Ausbildung benötigen.
Morro Ceesay: Momentan ist es wirklich schwierig Jobs zu finden. Wenn man den Leuten helfen will, muss man Partner in der Wirtschaft haben. Partner, die man direkt ansprechen könnte, wenn jemand da ist, der einen Job braucht.
Bis jetzt ist es so, dass wir keine konkreten Partner haben - weder in der Politik noch in der Wirtschaft. Also, es ist wirklich schwer, jungen Afrikaner Hoffnung zu machen.
Ursula Ströbele: Wir sollten nicht vorschnell eine Jobbörse thematisieren. Es wäre fatal, wenn man so was ins Leben ruft und das Resultat dann völlig negativ ist.
Die Konferenz wird aber eine gute Gelegenheit sein, diese Wünsche an die Firmen und Stellen heranzutragen. Es gibt ja ein großes Interesse hier lebender Afrikaner, eine zusätzliche Ausbildung in Solarenergietechnik und -anwendung zu bekommen.
Morro Ceesay: Diese Leute arbeiten sehr professionell und es ist in deren Geschäftsinteresse, dass sie Partner vor Ort haben, die für sie präsent sind. Diese Leute suchen vielleicht nach Partnern, die seriös sind - unter afrikanischen Bedingungen. Wir haben bereits jemanden kennen gelernt, der bereit wäre, Leute auszubilden.
Ich denke, alle Afrikaner, die in solchen technischen Bereichen Vertrieb machen, könnten wir fragen, ob sie nicht hier Afrikaner ausbilden wollen, die sie dann in Afrika einsetzen können. Nicht dass sie nur den Vertrieb machen, ohne dass Fachleute vor Ort die Reparaturen machen können. Ich denke, afrikanische Geschäftsleute haben ja keine andere Wahl.
Sie müssen afrikanische Fachleute haben, um erfolgreich zu werden und nachhaltig sein zu können. Vielleicht haben die es einfacher, hier in Deutschland die Afrikaner auszubilden.
Ursula Ströbele: Es wäre für sie vielleicht sinnvoll, dass in Afrika Afrikaner für den Vertrieb eingesetzt werden oder für die technische Assistenz bei Solartechnik. Es geht ja bisher nicht um die Produktion als solche.
Unsere Argumentation wäre, dass es für Firmen viel einfacher ist, die Ausbildung hier vorzunehmen. Viele Afrikaner haben ja in Afrika einen Familienhintergrund und können zurückgehen. Es ist aber wichtig festzustellen, ob solche Jobs überhaupt konzipiert sind.
Ursula Ströbele:Das primäre Interesse der Leute ist natürlich die Frage, was für sie persönlich an Tätigkeitsmöglichkeit herausspringt.
Wenn es um den reinen Vertrieb geht, dann ist anzunehmen, dass die Afrikaner gewisse Handelsstrukturen selber machen würden und sich als Handelspartner anbieten würden. Das kann man ja auch wechselseitig aufbauen.
Afrikaner können Angebote machen - dem dient ja auch der Hinweis auf deren eigene Exporttätigkeit mit der Containerverschiffung. Sie können ihre Qualifikation deutlich machen - und deutlich machen, dass man mit ihnen ein geordnete Vertriebsleistung aufbauen kann.
Morro Ceesay: Ich kann mir gut vorstellen, dass bei NGO´s etwas mehr Idealismus dahinter ist. Aber die Leute, die diese NGO´s betreuen und ein regelmäßiges Gehalt bekommen am Ende des Monats, lassen sich vielleicht nicht so motivieren, um die Solarenergieprodukte an die Bevölkerung heranzutragen wie ein Geschäftsmann.
Wer am Ende ein Gewinn erwartet ist natürlich anders motiviert als ein NGO-Mitarbeiter. Der wird ja nicht kämpfen müssen. Es kann durchaus sein, dass Geschäftsleute deshalb besser dazu geeignet wären.
Ursula Ströbele:Man sollte nicht die Gemeinnützigkeit der NGO´s aufgeben oder durch Abhängigkeit von Unternehmen in Frage stellen. Die Geschäftsleute sind ja sehr stark in Einzelunternehmensinteressen eingebunden oder repräsentieren einzelne Unternehmen. Aber vielleicht sollten die NGO´s stärker eine Zusammenarbeit mit Unternehmen und Geschäftsleuten suchen. Es gibt ja schon Beispiele solcher Zusammenarbeit.
Ich denke, man muss aufpassen, dass keine Einzelunternehmen den Zugang beherrschen und dass inländische Marktanbieter nicht von vorneherein erstickt werden.
Morro Ceesay: Das Ganze ist eine traurige Geschichte. Bis jetzt läuft es so, dass die Entwicklungshilfeprojekte für Afrika gar keine Entwicklungsprojekte sind.
Wenn man so etwas in Afrika machen möchte, sollte man damit anfangen afrikanische Expertise zu haben, die dieses Projekt betreuen sollen. Solange das nicht gemacht ist, können die Menschen nicht damit umgehen. Es ist oft so, dass Entwicklungshilfeprojekte kommen, machen irgendwelche großen Geschichten und kurz danach verschwinden sie wieder und die Leute wissen nicht wie weiter. Wenn das nicht funktioniert, sei es organisatorisch, technisch oder finanziell, dann sind die Leute total verloren.
Dass man ehrliche Partner braucht, mit denen man zusammenarbeiten kann Ist es nicht langsam Zeit, dass die deutsche Entwicklungspolitik umdenken muss? Sie müssen ihre Projekte in Afrika mit Afrikanern, die hier vor Ort leben, versuchen umzusetzen, seien es Studierende oder seien es einfach hier lebende Afrikaner, die das Potential in sich tragen, um etwas in Afrika umzusetzen.
Morro Ceesay: Wenn man auf fremden Terrain ist, ist man total verloren, egal, ob eine Afrikaner jetzt nach Europa kommt oder ein Europäer nach Afrika. Es ist für beide schwer, sich einzubringen.
Erstmal muss die Sprache beherrscht werden, und dann musst du auch im klaren sein, was deine Ziele sind und was du erreichen willst. Du musst die Kultur kennen und die Mentalität kennen und du musst dich in die Gedanken und die Gefühle der Menschen reinversetzen können. Das ist keine einfache Sache. Man hat ja eine ganz andere Erziehung, eine ganz andere Bildung und ganz andere Sozialverhältnisse. Das ist eine 180 Grad-Umdrehung für jeden, der diese Wanderung macht.
Es kann auch nicht sein, dass der Erfolg eines Projektes davon abhängt, dass eine Masse vorhanden sein muss - bis etwas umgesetzt werden kann. Es muss nicht so sein. Man kann ja in kleinen Schritten sehr viel erreichen.
Die Bevölkerung kann ein Solarprojekt nicht immer begreifen. Sie begreifen nicht, warum das da ist. Weil sie die Zusammenhänge nicht so richtig verstehen können. Das ist menschlich, wenn da eine kritische Meinung ist.
Morro Ceesay: Das hat was mit Armut zu tun. Armut ist die Antwort Nr. 1 darauf.
Und dann die Erziehung. Die Erziehung stimmt, meines Erachtens, nicht so ganz. Die Gefahr, schon als kleines Kind geprügelt zu werden, wenn du deine ehrliche Meinung sagst, wenn du die Wahrheit sagen willst - führt dazu, dass Kinder schon ziemlich früh anfangen, zu lügen. Also diese Gewaltdrohung, wenn man die Wahrheit sagen möche oder seine wahre Meinung präsentieren möchte. Irgendwann wird es ein Teil von dem Mensch.
Wenn der Mensch, selbst wenn er weiß, dass in einer bestimmten Situation was nicht klappen wird, wird es nicht schaffen, die Wahrheit zu sagen. Das ist Erziehung.
Morro Ceesay:Nein, das ist nicht unbedingt so in Afrika. Das läuft ja in einer bestimmten Erziehungsphase. Aber, sobald der Mensch aus einem bestimmten Alter heraus ist oder Erfolg hat, sagen wir mal als Geschäftsmann, zählt ab einem bestimmten Alter nur noch der Erfolg. Was hast du an Geld - was hast du an materiellen Werten?
Also, es ist nichts anderes als hier. Du musst nur materielle Werte haben in Afrika - dann wirst du geachtet. Hast du nichts, wirst du missachtet.
Morro Ceesay: Vielleicht ist das eines der Faktoren, das zu Afrikas Unterentwicklung geführt hat. Das ist eine Gesellschaft, die sich wie jede andere Gesellschaft sehr schlecht ändern kann - und sehr schlecht entwickeln kann.
Was so ist, soll auch so bleiben - für immer. Konservativ denkende Akademiker können ja solche Kommentare machen, aber das ist absoluter Quatsch. Die behaupten, durch neue innovative Technologie würden alte Technologien verloren gehen.
Ich denke, das Gegenteil wird der Fall sein. Die neuen Technologien werden dazu beitragen, dass Menschen sich mehr entwickeln. Das wird angenommen, das wird umgesetzt.
Kannst du so einem Menschen die Frage stellen, ob er auf das Auto verzichten wird, in Afrika? Wie wird er in Afrika rumreisen? Will er das mit Eselskarren machen? Warum schleppt er nicht die Trommel durch die Städte und gibt Nachrichten? Macht er das?
Wenn die alten Techniken uns überhaupt nicht weiterhelfen, dann müssen wir uns helfen lassen.
Morro Ceesay: Die deutschen Techniker versuchen ja mit ihrer Technik gleich nach Afrika zu rennen, anstatt hier lebende Afrikaner anzusprechen. Die konnten ihre Forschung schon hier machen, indem sie die Afrikaner hier ansprechen. Vielleicht wird es dann besser verlaufen, in Afrika.
Es ist ein grober Fehler, dass man das nicht macht. Dass man die hier lebenden Afrikaner übergeht und nicht als geeignete Gesprächspartner sieht.
Morro Ceesay:Die Afrikaner beziehen sich mehr auf die Regierung als auf den Staat. Das hat den Grund, dass das sozialpolitische Bildungsniveau in Afrika ziemlich niedrig ist.
Afrikaner identifizieren sich nicht mit dem Staat sondern eher mit der Familie.
Ursula Ströbele: Im modernen Demokratieverständnis gibt es doch die 3 Gewalten. Das ist ja in vielen Staaten in dieser Weise noch nicht differenziert, sondern da ist eine Einheitsgewalt. Mit Regierung meint man deshalb den Inbegriff der staatlichen Gewalt.
Viele Afrikaner sagen: Regierung ist gleich Staat. Sie haben auch keine Staatstheorie, weil es ja Stammesgesellschaften sind. Sie kennen nur eine Regierung, die auf dem Territorium Macht ausübt.
Ursula Ströbele: Es kann schon sein, dass es hier ideologische Gründe gibt. Diese Vermutung das kann man nicht einfach ausschließen. Aber bevor man solche Gründe anführt, sollte man sich erst mal mit den sachlichen Gründen befassen, die da eine Rolle spielen.
Ursula Ströbele:Das stimmt. Aber eher aus einem Schutzgedanken heraus, weniger aus ideologischer Voreingenommenheit heraus.
Morro Ceesay:Wenn ich eine Aktion mache mit Solarkochern auf dem Worringer Platz, kriege ich von Afrikanern zu hören: Warum gehst du nicht mit deinen Solarkochern nach Afrika? Dort wird es mehr gebraucht als hier in Düsseldorf.
Die meisten Afrikaner gehen aber einfach vorbei. Die sprechen mich meistens nicht an. Ich werde öfters angesprochen, wenn Leute mich kennen, oder wenn ich einen Blickkontakt mit jemandem aufnehme. Manchmal komme ich ins Gespräch mit diesen Leuten und zum Schluß sagen die: Das ist toll, das ist eine große Sache - hoffentlich bleibt es dabei. Aber die meisten Leute sprechen mich nicht an.
Das hängt auch damit zusammen, dass Afrika ein Kontinent ist und kein Land. Und zudem: Wenn Afrikaner in Europa leben, adaptieren sie auch manches an europäischem Charakter. Da sein einige Faktoren, die zusammenspielen. Die Afrikaner nehmen mich sinnlich war, stellen aber von selber keine Fragen - wenn ich nicht dafür werbe.
Da sind viele Aktionen, wo wir Leute ansprechen. Es ist auch eine Attraktion in der Öffentlichkeit, wenn man solche technische Geräte ausstellt. Viele Leute werden neugierig und wollen mehr wissen über das Gerät oder was du da machst. Oft ist die Begeisterung groß, aber das heißt längst nicht, dass der Mensch das dann besitzen will oder nachmachen will. Das alles muss ja ein Prozeß sein.
Morro Ceesay: Ich denke, da sind viele Afrikaner hier, die ganz normal arbeiten oder arbeitslos sind und gar nicht die Möglichkeit haben, Geld nach Afrika zu schicken.
Jeder seriöser vernünftiger Mensch, der hier Erfahrung gesammelt hat, weiß, dass Deutschland nicht durch Träumerei aufgebaut worden ist.
Die Afrikaner hier haben schon kapiert, dass man dafür arbeiten muss und dass man mit Technik und Know-how zurückgehen kann, um in Afrika langsam etwas aufzubauen. Dieser Weg könnte mehr bringen als stur zu bleiben.
Wenn Afrika gerettet werden soll, dann müssen Afrikaner anfangen, dort Arbeitsplätze zu schaffen - damit die Jugend aufgefangen wird. Sonst wollen alle nur noch auswandern. Wie soll das denn ein Ende finden - wenn da keine Jobs sind.
Morro Ceesay: Es gibt ja Menschen, die ohne großartig zu forschen, einen Schussstrich ziehen.
Ich bin ein technisch veranlagter Mensch und es ist mein Wunsch hier, dass ich hier Kenntnisse erwerben kann, Geräte und Werkzeuge bekommen kann um mit diesen Werkzeugen heim zu gehen und anfangen kann, eine Existenz zu gründen. Und es gibt sehr viele, die so denken. Fang mal an, Parabolspiegelkocher in Afrika zu verkaufen! Wenn die Leute sehen, dass man damit Geld verdienen kann, dann wird jeder Handwerker das herstellen, was man dafür herstellen muss.
Am Anfang der 90er Jahre kam ein neuer Ofen in Gambia auf den Markt. Dieser Ofen war so gebaut, dass man nur die Hälfte Brennholz braucht - im Vergleich zu den herkömmlichen Kochmethoden.
Am Anfang war es ganz mühsam. Aber ein bisschen Werbung - Radiowerbung und Öffentlichkeitsarbeit hat sehr schnell dazu geführt, dass dieser Ofen ein Renner wurde und auf einmal haben alle Handwerksbetriebe diesen Ofen gefertigt. Ich habe selber davon hunderte hergestellt und erfolgreich verkauft.
Und auch in Senegal macht man schon viel selbst. Also das stimmt nicht unbedingt, vieles wird nur über Vertrieb, wenn es nicht im Lande hergestellt werden kann. Wenn das eine Technik wäre, die normale Handwerker in Afrika herstellen könnten, dann kannst du dir sicher sein, dass die das machen würden.
Morro Ceesay:Die afrikanischen Geschäfte, hier in Düsseldorf, sind alles noch kleine Läden.
Da sind keine Supermärkte oder Handelsketten, dass die Jobs oder Ausbildungsplätze anbieten könnten. Ich weiß nicht, wie gut die wirtschaftlich stehen. Es sind meistens kleine Familienbetriebe. Wie die finanziell stehen, ist uns noch nicht klar.