Jürgen Kleinwächter entwickelt in seiner Firma "Bomin Solar Research" (Lörrach) seit über 20 Jahren eine noch wenig bekannte, aber sehr leistungsfähige Technologie für die Nutzung von Solarenergie. Seine Entwicklungen folgen einer neuen und humanen Philosophie und könnten dadurch, aber auch durch ihre Andersartigkeit, zu einem weitgehenden Austritt aus der Mittäterschaft führen. Übliche Photovoltaikzellen vermeiden zwar die Ausbeutung fossiler Brennstoffe, doch ihre Herstellung ist nach wie vor verknüpft mit einer Hochtechnologie, wie sie sich nur große Konzerne leisten können, die auf der anderen Seite mitmischen bei der Ausnutzung von Dritt-Welt-Ländern oder im Machtkampfund Krieg um Öl.
Barbara Kovats besuchte den engagierten Erfinder.
Schon bei meinem ersten Besuch bei Jürgen Kleinwächter vor einigen Jahren war ich fasziniert von seinen einfachen und gleichzeitig komplex durchdachten Lösungen für die Energiefrage in Ländern ohne große technische Möglichkeiten. Genauso sehr beeindruckte mich auch sein menschliches Engagement dabei. Mit Blick auf die vielen Regionen der Welt, in denen Menschen Hilfe brauchen, sagt Jürgen Kleinwächter. Die hier zu treffenden Maßnahmen müssten als globale Notstandsmaßnahmen erster Priorität erkannt werden. Die nötigen Schritte müssen kooperativ, pragmatisch, flächendeckend. schnell erfolgen. Marktwirtschaftliche Prinzipien sind hier fehl am Platz. So hässliche Assoziationen der Vergleich wecken mag: Die Kompetenz quasi militärischer Organisation :sei hier gefordert. Denn wir leben alle in Gefahr und müssen diese bannen. Allerdings wird dieses Ringen ein humanes sein, und der Kampf muss darin bestehen, mit Augenmaß aber höchster Effizienz unsere Egoismen zu eliminieren ..."
" ... Wir sind an einem Punkt unserer Evolutionsgeschichte angekommen, an dem sich entscheiden muss: Haben wir uns als Menschheit zu einer schrecklichen Art Virusinfektion entwickelt, die die Öko- und die Biosphäre gesamthaft tödlich bedroht? Wenn ja, dann wird die Immunkraft dieses Systems nach kurzer, heftiger Krankheit uns abstoßen. Oder ergreifen wir die Chance, die uns an diesem für die Menschheitsentwicklung singulären Punkt entstanden ist: Aufgrund unseres Intellektes können wir die Gesamtzusammenhänge erkennen, können Ökologie und Ökonomie vereinen. können global menschlich integrativ statt destruktiv handeln."
Eines der Ziele Jürgen Kleinwächters ist die Entstehung von Schulungsorten, die junge Menschen in armen Gebieten der Welt ausbilden im Bau von Solarpumpen, Warmwasserkollektoren. Solarkochern ..., einem ganzen Energie-Know-How, das in kleinen Betrieben auch in Entwicklungsländern gebaut und gewartet werden kann - und die Menschen ermutigt und begeistert für eine Zukunft ohne Abhängigkeit und ohne Ausbeutung der Erde.
Diese Betriebe könnten langfristig ein globales Netzwerk bilden, zusammen mit entsprechenden Ausbildungs- und Forschungszentren.
Bei meinem jetzigen Besuch führt er mich durch das Testfeld in dem die Entwicklungen einer Firma stehen. Es ist ein Gang durch vielfältigste Lösungsmöglichkeiten für Situationen, in denen Energie gebraucht wird: z.B. Beleuchtung, Wasserpumpen, Milchkühlung, Solarkocher für Großfamilien, an denen auch ein Getreidemörser betrieben werden kann, Gewächshäuser, die gleichzeitig Warmwasser und Strom liefern und vieles mehr. Er zeigt mir den "Sunpulse". eine Solarpumpe, die als Niedrig-Temperatur-Stirling-Motor arbeitet - eine Entwicklung von Bomin Solar Research.
Die Weiterentwicklung des schon seit dem 19. Jh. bekannten Stirling-Motors ist eines der Kernstücke seines Konzeptes. Wer das Funktionsprinzip kennt, kann den Sunpulse für relativ wenig Geld und ohne High-tech-Verfahren fast an jeder Stelle der Welt bauen. Mit ihm lässt sich Wasser pumpen, kühlen und Strom erzeugen und zwar ab Sonnenaufgang, denn die Pumpe beginnt schon bei sehr geringen Temperaturunterschieden zu arbeiten. Die Leistung ist hoch: An einem Tag mit 8 Stunden Sonne befördert der Sunpulse 7000 l Wasser aus 40 m Tiefe (genug, um Tamera derzeit mit Wasser zu versorgen!).
Heute ist der "Sunpulse" so weit ausgereift, dass er in Indien in Serienproduktion geht. Bereits Anfang der 90er Jahre hatte Jürgen Kleinwächter zusammen mit dem Max-Planck-Institut einen verlustfreien Speicher für Sonnenenergie in chemischer Form entwickelt. Dieses zweite Kernstück seiner Entwicklung schließt eine große Lücke in der Solartechnologie, die bislang mit aufwendigen Batteriebanken arbeiten muss. Sein auf Magnesium basierender Speicher bewahrt die Sonnenwärme nahezu verlustlos über mehrere Monate oder sogar Jahre, die dann "auf Knopfdruck" abgerufen werden kann.
Bis zu 500 °C setzt der Speicher frei. Diese Wärmeenergie kann unterschiedlich verwendet werden, natürlich auch für die Stromerzeugung. Damals, so erzählt er, hätten sie zunächst keine Förderung für diese Entwicklung bekommen, mit der Begründung, "es funktioniere ja sowieso nicht".
Erst nachdem sie auf Pressekonferenzen eine breite Öffentlichkeit aufmerksam gemacht hätten, bekamen sie finanzielle Unterstützung und Kooperationsangebote. Das Saarland wollte dann mit dieser Technik zum "Sonnenland" Deutschlands werden, aber die Kooperation scheiterte auf übelste Art an der Politik der Kohleindustrie, die Firma Bomin Solar Research wurde regelrecht bankrott "gemacht". Mario Simmel, ein Bekannter Kleinwächters, hatte diesen Verlauf bereits zuvor in künstlerischer und politisch treffender Vorausschau in seinem Roman "Im Frühjahr singt zum letzten Mal die Lerche" beschrieben:
Eine Lobby, die kein Interesse hat an neuen Systemen oder technischen Entwicklungen, die gewisse wirtschaftliche Monopol- und Machtpositionen gefährden, drängt solche Initiativen mit allen Mitteln ins Off. Diese Tatsache begegnet mir bei der Recherche nach alternativen Wegen immer wieder - sei es in Ökologie, Technologie oder Medizin. Das Wissen um neue Lösungen ist eigentlich vorhanden, aber kein Forum, keine Öffentlichkeit, keine Lobby vernetzt dieses Wissen und bringt es an die Orte, wo es aktuell gebraucht wird. Dem möchte J. Kleinwächter entgegenwirken: "Wissen Sie, ich denke, dass die Menschheit sich zum ersten mal in der Geschichte tatsächlich Schuld auflädt. Sie weiß, wie die Krisen behoben werden könnten, aber sie setzt die Lösungen nicht ein; dadurch entsteht Schuld. Und: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Elend, das wir dadurch heute weltweit erzeugen, nicht irgendwie auf uns selbst zurückkommt."
Wir laufen weiter: Vorbei an einer Milchkühleinheit aus Afrika, die auf den Betrieb mit Solarenergie umgestellt wird. Hin zu einer Linse, die gerade die letzten Sonnenstrahlen einfängt und fokussiert; vom Brennpunkt des Lichtes aus leitet ein Schlauch mit einer transparenten Flüssigkeit das Sonnenlicht über einige Meter durch den Raum und lässt sich am anderen Ende als Lichtquelle benutzen - eine Lampe, die Tageslicht abgibt! Mit einem größeren Prototypen wird demnächst der erste Kongressraum beleuchtet. Meine Frage "Ja, wie ist es denn nachts?" beantwortet er mit einem verschmitzten Lächeln:
"Das ist noch nicht ganz fertig, aber wir sind dabei. Gerade habe ich ein Stück "gespeichertes Licht" in meinem Kühlschrank liegen." Weiter wollte er dazu nichts sagen.
Bereits verkauft wird von Bomin Solar ein Wasser-Wärm-System. die Solarbox. Neben der Erzeugung und Speicherung von Warmwasser könnte die Solarbox Menschen in Krisengebieten auch vor Epidemien schützen. Die verwendete Folie entkeimt nämlich das gespeicherte Wasser, indem sie UV-Strahlung der Sonne durchlässt.
"Sie könnten damit im Prinzip Wasser aus einer Pfütze nehmen, es filtern, es in diesen Behältern 24 Stunden lagern und die meisten Krankheitserreger sind weg."
Seinen Erfindergeist, sein komplexes Denken bzw. viele seiner Entwicklungen kombiniert Jürgen Kleinwächter zur Zeit bei dem Bau eines Gewächshauses. Teile des einfallenden Sonnenlichtes werden durch "Fresnell-Linsen" eingefangen, konzentriert und auf einen Magnesium-Hydrit-Speicher gerichtet. Der hiermit erzeugte Dampf sorgt für Warmwasser und - per dampfbetriebenem Motor - für Strom.
So könnte jedes Gewächshaus, jedes Glasdach eine eigene, unabhängige Energiestation sein. Energie wird dort erzeugt, wo sie gebraucht wird.
Ich danke für diesen - noch längst nicht vollständig beschriebenen - Gang durch einen Park von Lösungsmöglichkeiten. Es freut mich, wenn es zu einer Kooperation zwischen entstehenden Heilungsbiotopen und Erfindern von diesem Format und Engagement kommt
Jürgen Kleinwächter
Bomin Solar Research
Industriestr. 8
79541 Lörrach
info@bominsolar.com
http://www.bominsolar.com/
(Quelle: Auszug aus dem IGF - Magazin Nr.1/2001)
Jürgen Kleinwächter ist ein Überzeugungstäter. Seit dreißig Jahren entwirft er in seiner Firma in Lörrach bei Basel ausgeklügelte Apparate, die das Sonnenlicht als Energiequelle nutzbar machen. Dabei hat er nicht nur den Markt in Europa im Blick, sondern genauso den großen Bedarf an sozial- und umweltverträglicher Energie in armen Ländern des Südens.
Darauf ist zum Beispiel die Wasserpumpe zugeschnitten, die auf dem Hof der Firma gerade in zwei Teile zerlegt worden ist. Sie sieht aus wie ein riesiger flacher Kreisel und wird, erklärt Kleinwächter, unmittelbar von der Sonnenwärme angetrieben. Ihr Geheimnis ist die Fortentwicklung eines Motors, den der Schotte Robert Stirling 1816 erfunden hat. Der Stirling-Motor verwandelt ein Temperaturgefälle unmittelbar in Bewegung. Um das zu demonstrieren, holt Jürgen Kleinwächter einen Modell-Motor vom Regal. Er besteht aus einer flachen runden Kammer mit einem Schwamm, von dem zwei Stangen oben zu einer Kurbelwelle führen. Das simple Gerät setzt Kleinwächter auf eine Tasse voll kochendem Wasser, stößt den Propeller an, und der Stirling-Motor läuft. "Das Modell zeigt natürlich nur das Prinzip", erklärt Kleinwächter. "Wir haben diesen Motor im Laufe der Jahre immer mehr optimiert." Zum Beispiel so, dass er sich - wie in der Wasserpumpe - selbst startet, schon bei Temperaturen unter 100 Grad läuft und unter 500 Grad gute Wirkungsgrade erreicht.
Auch den Solarkocher im Hof hinter seinem Büro hat Kleinwächter für den Einsatz im Süden entwickelt - zusammen mit Klemens Schwarzer von der Technischen Hochschule Jülich, nach dem das Gerät benannt ist. Wenn man die Alu-Spiegel über der geneigten Vorderfläche aufklappt, wird in den Leitungen darunter Pflanzenöl von der Sonne auf etwa 200 Grad aufgeheizt. Das Öl erhitzt zwei eingelassene Töpfe, sobald man ein Ventil öffnet. So kann man mit Sonnenwärme kochen - auch nachts, denn das Öl wird in einem isolierten Tank heiß gehalten. "Das ist einfacher und billiger, als zum Beispiel in Batterien Strom zu speichern", sagt Kleinwächter.
Warum arbeitet er an solchen Geräten, die ihm bisher wenig Geld einbringen? Der Einsatz für die Solarenergie ist Teil seiner persönlichen Lehre aus der deutschen Geschichte. Sein Vater Hans, der Gründer der Firma Kleinwächter, arbeitete in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs als junger Physiker im Team Wernher von Brauns an der Rakete V2 mit. Diese angebliche Wunderwaffe wurde mit Hilfe von Tausenden Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen gebaut; die ersten funktionierenden Raketen trafen in den letzten Kriegsjahren London und Antwerpen und töteten einige Tausend Zivilisten. "Ich habe mit meinem Vater viel darüber geredet", erzählt Jürgen Kleinwächter. Er versteht, dass der Vater, der seine gesamte Jugend unter den Nazis erlebt hat, vieles als selbstverständlich hinnahm, was seinem Sohn im Nachhinein fragwürdig erscheint. Doch er hat beschlossen, nie derart mit dem Strom zu schwimmen. Jürgen Kleinwächter ist 1944 in Sachsen geboren, aber in Frankreich aufgewachsen. Denn die Siegermächte wollten nach dem Zweiten Weltkrieg vom Wissen der Deutschen profitieren, die im Raketenbau gut zehn Jahre voraus waren. Und da die Alliierten bis Mitte der 1950er Jahre die militärisch nutzbare Forschung und Entwicklung in Deutschland unterbanden, konnten gerade Luft- und Raumfahrttechniker nur im Ausland weiter in ihrem Spezialgebiet arbeiten. Rund 3000 Ingenieure, Techniker und Handwerker aus der Rüstungsindustrie - besonders Raketen- und Flugzeugkonstrukteure - wurden in die Sowjetunion geholt. Etwa 300 warben die Briten an, etwa 1600 die Amerikaner - darunter Wernher von Braun, der eine führende Rolle für die Raketenrüstung der USA und die Mondfahrt spielte. Hans Kleinwächter gehörte zu den rund 800, die nach Frankreich gingen. Erst 1960 kehrte die Familie zurück nach Deutschland und ließ sich in Baden nieder. Kleinwächters Entschluss, sich für die Solartechnik einzusetzen, geht auf einen Aufenthalt in Ägypten und die Begegnung mit französischen Pionieren der Solarenergie zurück. In Ägypten arbeitete sein Vater zu Beginn der 1960er Jahre an der Entwicklung einer Rakete mit, die offiziell dem Transport eines Satelliten dienen sollte. Jürgen Kleinwächter warnte vor militärischen Folgen und sah sich bestätigt, als Israel das Projekt als Bedrohung auffasste. Zugleich gingen ihm, wie er sagt, die Not der Kleinbauern und das Elend in den Slums "an die Nieren", und er begriff, dass die Raketentechnik da nicht hilft. Die Technik, die ihm angemessener schien, lernte er während des Physikstudiums in Grenoble kennen: Er traf Mitglieder der "Mittelmeer-Zusammenarbeit für die Solarenergie" (COMPLES), einer 1961 gegründeten, internationalen Vereinigung von Technikern und Wissenschaftlern mit starker Beteiligung von Franzosen. Die hatten in den fünfziger Jahren in ihrer Kolonie Algerien Versuchsanlagen für die Nutzung der Sonnenenergie gebaut. Mit der Unabhängigkeit Algeriens 1962 und der Entscheidung, in Frankreich auf Atomkraft zu setzen, wurde diese Entwicklung an den Rand gedrängt. Jürgen Kleinwächter wollte sie, als er 1970 vom Studium aus Grenoble zurückkam, in der Firma seines Vaters weiter verfolgen. Die Firma entwickelte damals Roboter, unter anderem für den Umgang mit strahlendem Material in der Atomtechnik. Doch als sie bei der Konkurrenz um einen entscheidenden Auftrag unterlag, beschlossen Vater und Sohn, ihren Betrieb zu "solarisieren".
Jürgen Kleinwächter setzt sich seitdem für die Anwendung dieser Technik ein - zum Beispiel hat er 1988 die Europäische Sonnenenergievereinigung EUROSOLAR mit gegründet; auch deshalb, weil er aus ökologischen Gründen eine Abkehr von fossilen Energien für dringend notwendig hält. Als eine der ersten Firmen versuchte Kleinwächter, mit Solartechnik Geld zu verdienen. Mit einigen Produkten - etwa solaren Wasserheizungen für öffentliche Schwimmbäder - ist das auch gelungen. Es hätte jedoch Jürgen Kleinwächters Tüftlernatur widersprochen, sich auf den Vertrieb bewährter Anlagen zu beschränken. Stets hat er versucht, neue Solartechniken zu verbessern und marktfähig zu machen - gerade solche, die sich besonders für sonnenreiche Länder eignen.
Lange hat er zum Beispiel an Kleinkraftwerken nach dem Prinzip des sogenannten Stirling-Dish-Systems gearbeitet. Hier treibt die Hitze im Brennpunkt eines Parabolspiegels einen Stirling-Motor an und dieser einen Stromgenerator. Zusammen mit dem Max-Planck-Institut in Mülheim hat er einen Speicher auf chemischer Basis entwickelt, der Hitze lange Zeit praktisch verlustfrei speichert. Das macht es theoretisch möglich, mit dem Stirling-Dish-System auch nachts solarthermisch Strom zu erzeugen: Die Sonnenhitze kann zwischengespeichert und wieder freigesetzt werden.
Zur Zeit wird auf dem Hof hinter seinem Büro eine Fotovoltaik-Anlage getestet, bei der ein schmaler Streifen Solarzellen in der Brennlinie einer langen rechteckigen Linse liegt. Die Stromausbeute bei konzentrierten Licht, erklärt Kleinwächter, ist so hoch wie bei einer üblichen Solarzellenfläche von der Größe der Linsen, benötigt dafür jedoch nur ein Zehntel der Solarzellen. Das mache die Anlage und damit den Strom billiger. Wenn man die Linsen ins Dach einbaut, wirken sie zudem wegen des Streulichts wie ein großes mattes Fenster.
Freilich: Nur wenige der Apparate, die in Lörrach entwickelt und in der badischen Sonne getestet worden sind, sind bisher im Einsatz. Einer der Gründe dafür ist laut Jürgen Kleinwächter, dass es sehr teuer ist, eine neue Technik bis zur Marktreife zu entwickeln. Zudem kann es, wenn etwa die Lichtbeständigkeit einer Spiegelfolie geprüft werden muss, viel Zeit erfordern. "Schon wenn Mercedes den Kotflügel nur ein bisschen anders biegt, kann das leicht eine Million kosten", bemerkt er. Seine kleine Firma hat daher einerseits öffentliche Fördermittel etwa vom Forschungsministerium in Anspruch genommen. Andererseits hat sie versucht, mit kapitalstarken Unternehmen zusammenzuarbeiten - schon weil in Lörrach lediglich Prototypen gebaut werden. Das Ergebnis waren zwei Konkurse, die die Firma um Jahre zurückgeworfen haben: Zu Beginn der achtziger Jahre ging der Hauptpartner pleite und riss Kleinwächters Firma mit. Und zu Beginn der neunziger Jahre scheiterte die Zusammenarbeit mit einer Tochter von Saarberg, dem Energiekonzern aus dem Saarland und führte zum zweiten Konkurs. So gilt Kleinwächter manchem in der Solar-Szene als Mann mit guten Ideen, aber einer unglücklichen Hand bei der Wahl seiner Partner. Seine Schwierigkeiten mit großen Konzernen hängen mit seinem Technikverständnis zusammen. Im Grunde ist er ähnlich wie sein Vater von Technik fasziniert und glaubt, dass man damit die Welt ein wenig verbessern kann. Doch die Geschichte hat ihn gelehrt, dass Ingenieure die Folgen ihrer Erfindungen bedenken müssen.
Und die konventionelle Großtechnik ist für ihn nicht nur ökologisch unhaltbar, sondern auch undemokratisch. Er versucht seine Geräte einfacher zu machen - nicht nur aus Geldmangel, sondern auch weil er will, dass sie leicht nachgebaut werden können. Nicht dass er große Fabriken ablehnte: "Es ist sinnvoll, etwas in großen Serien kostengünstig herzustellen", erklärt er. "Aber große Konzerne können Patente und ihre Macht missbrauchen, um die Herstellung alternativer Technik zu verhindern. Dagegen hilft nur, dass Dorfschmiede das im Prinzip auch bauen können."
Dafür sei die Solartechnik besonders geeignet: "Im Gegensatz zur konventionellen Technik wird Solartechnik durch Vereinfachung besser."
Entsprechend wirkt Kleinwächters Firma stellenweise wie eine Bastlerwerkstatt. Labors und staubfreie Räume fehlen. Statt dessen stapeln sich Regale mit Schrauben und Düsen an den Wänden, und wenn nötig werden Teile auch von Hand zurechtgefeilt. Improvisation ist Trumpf. Es ist schwer vorstellbar, wie Kleinwächters Mentalität des Technik-Guerillero mit den Geschäftsinteressen üblicher Unternehmen zu vereinbaren ist.
Ein Beispiel dafür schildert er selbst: Die Ingenieure von Saarberg-Interplan waren von seiner Wasserpumpe nur so lange begeistert, bis sie gesehen hatten, wie einfach sie innen aufgebaut ist: "Dann haben sie mich aufgefordert, etwas zu konstruieren, was verhindert, dass ein geschickter Handwerker die Solar-Pumpe einfach nachbaut."
Die Anwendung der für den Süden entwickelten Technik scheitert aber nicht nur am Geld. Entscheidend ist, ob eine anderswo entwickelte Technik kulturell akzeptiert wird.
Cornelia Schichtel, die für die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein Solarkocher-Programm in Südafrika betreut, verweist darauf, dass in den vergangenen zwanzig Jahren viele Kocherprojekte an dieser Frage gescheitert sind: Die Technik muss berücksichtigen, wer in einer Gesellschaft üblicherweise was wann wie zubereitet - tags oder abends, braten oder kochen, für die Familie oder größere Gruppen? Den Schwarzer-Kocher hält sie für technisch sehr gut. Er sei aber vor allem für Groß- und Gemeinschaftsküchen geeignet.
Großküchen in Afrika, in denen es Strom gibt, akzeptieren aber nach ihrer Erfahrung Solarkocher nicht. Denn die Köche sind dort angestellt und haben wenig Interesse, zusätzlichen Aufwand zu treiben, um Strom zu sparen. Für Haushalte - und vor allem dort wird in Afrika gekocht - sei der Schwarzer-Kocher aber zu teuer.
Jürgen Kleinwächter verteidigt sein Produkt gegen diese Einwände: In Mali nähmen Haushalte seinen Kocher an, und die geplante Fertigung im Senegal werde den Preis senken.
Klaus Preiser vom Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg erklärt weitere Grundprobleme des Technologietransfers:
Die potentiellen Kunden können oft mangels eines funktionierenden Kreditwesens kein Geld leihen, um eine Anlage zu kaufen; örtliche Firmen können die Wartung nicht gewährleisten; der Vertrieb ist wegen der schlechten Verkehrsverhältnisse teuer; und wenn die Technik im Norden ohne den Rat von Sozialwissenschaftlern entwickelt wird, ist sie oft am Bedarf vorbei geplant.
Preiser hält die solarthermische Stromerzeugung für armen Ländern weniger angepasst als die Fotovoltaik. Denn Stirling-Dish-Systeme, erklärt er, sind mechanisch anfällig, weil man sie zweiachsig der Sonne nachführen muss; Solarzellen funktionieren dagegen fast wartungsfrei.
Dieses Argument lässt Kleinwächter nicht gelten. Da sein Stirling-Generator bereits mit gut 200 Grad heißem Öl akzeptable Wirkungsgrade erzielt, reicht es, das Licht auf eine Linie zu konzentrieren statt auf einen Punkt. Dazu genügt ein rinnenförmiger Spiegel, der nur um eine Achse gekippt werden muss. Ein solches System könne im Gegensatz zu Fotozellen in armen Ländern auch hergestellt werden. Sein Konzept lautet daher, Partnerfirmen im Süden zu suchen, die die Geräte anpassen, herstellen und vertreiben.
Das hält Carlos Zarate von Beratung für Management, Bildung und Technologien (FAKT, früher Fördergesellschaft für angepasste Techniken), einer von der evangelischen Kirche gegründeten Beratungsfirma, im Grundsatz für eine gute Idee. Nur sind, sagt er, Solarfirmen in armen Ländern sehr rar. Nach seiner Erfahrung funktioniert der Technologietransfer am besten, wenn eine etablierte Firma aus anderen Sektoren die Verbreitung übernimmt. Im übrigen fehle der solarthermischen Stromerzeugung, die Kleinwächter entwickelt, eine Lobby.
Das ist bei der Fotovoltaik anders: Ihr Transfer dient auch der Exportförderung. Diesen Umstand macht sich das ISE zunutze (siehe Kasten).
Der Streit um die "richtige" Technik ist also teilweise einer über die Frage, wie wichtig es ist, dass die Geräte im Süden produziert werden können.
Jürgen Kleinwächter hält es für sehr wichtig. Er findet aber in der Tat nicht leicht Partnerfirmen im Süden. Gelungen ist das, sagt er, im Senegal. Eine dort ansässige, von einem Tschechen geführte Firma baut in Mali eine Versuchsanlage, in der Öl von der Sonne erhitzt und dann gespeichert werden soll. Damit sollen mehrere dezentrale Kochstellen - eine Abänderung des Schwarzer-Kochers - betrieben sowie Strom erzeugt werden.
Weiter gediehen ist der Transfer der Wasserpumpe nach Indien. Die Firma Ajwani passt die Pumpe an die dort erforderliche Pumptiefe an und will das Gerät dann in den Markt bringen. Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG, jüngst mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau verschmolzen) fördert das im Rahmen von Public Private Partnership; hierbei werden entwicklungsfördernde Vorhaben gemischt öffentlich und privat finanziert, wobei der private Geldgeber auch Gewinn machen will. Die DEG erwartet, dass Ajwani und Kleinwächter mit der Solar-Pumpe einen Geschäftserfolg erzielen können, der zugleich Bauern ohne verlässlichen Stromnetzanschluss hilft: Die könnten den Diesel für Dieselpumpen einsparen, ohne Elektropumpen mit Solarstromanlage zu kaufen, die viel teurer seien als Kleinwächters Gerät. Ricarda Horst, die zuständige Sachbearbeiterin, hofft zudem, dass die indischen Behörden ihre Förderung für die teuren solarelektrischen Pumpen auch auf die einfachere und billigere aus Lörrach ausweiten. Jürgen Kleinwächter hat dreißig Jahre eigensinnig für eine Idee gekämpft, die ihrer Zeit voraus war. Seiner Frau und seinem Sohn hat er damit eine Menge zugemutet - vor allem nach den beiden Konkursen.
Dass sinnvolle und ökologische Techniken wenig Chancen bekommen, ärgert ihn sehr. "Was das Verständnis für die soziale Bedeutung der Solartechnik angeht, sind wir heute nicht viel weiter als die COMPLES in den sechziger Jahren", bilanziert er. Doch er sagt das ohne Verbitterung - eher mit gutmütigem Spott über die Unvernunft der Welt. Unverdrossen nimmt er immer wieder Anlauf, seinem Anliegen Gehör zu verschaffen.
Neuerdings werden die politischen Rahmenbedingungen für Solarunternehmen wie seines günstiger. Seit in Deutschland die Energieversorgungsunternehmen Solarstrom zu einem festen Preis von 99 Pfennig abnehmen müssen, sieht er für seine Fotovoltaik-Anlage mit Linsen einen Markt entstehen. Demnächst soll die Firma Josta in Tschechien die Serienproduktion beginnen. Kleinwächter hofft dann auch auf den Vorbild-Effekt: "Die Solarenergie muss im Norden preiswert in Serie produziert werden, um im Süden angenommen zu werden. Nur wenn wir hier erfolgreich sind, können wir den Süden überzeugen."
Dort sieht Klaus Preiser ebenfalls einen großen Markt für die Fotovoltaik entstehen, und zwar aufgrund staatlicher Programme. Er beobachtet, dass viele Regierungen - zum Beispiel in Argentinien, China, Indien und Indonesien - abgelegene Landgebiete dezentral elektrifizieren wollen, weil das preisgünstiger ist als der Anschluss ans zentrale Netz. Andere wie Mexiko und Tunesien wollen teure dezentrale Dieselgeneratoren durch Fotovoltaik ersetzen. Ob Kleinwächter mit seinen solar-thermischen Generatoren davon profitieren kann, ist offen. Aber das ist für ihn zweitrangig, solange der Umstieg auf die Solarenergie endlich eingeleitet wird. An vielen seiner Entwicklungen wird er wahrscheinlich nie verdienen. Auch ob sie sich langfristig am Markt durchsetzen werden, ist nicht klar. Aber was besagt das? Viele sinnvolle Erfindungen werden kaum genutzt, weil kurzfristige Interessen das verhindern. Langfristig mag die Bilanz anders aussehen. Professor Bogdanovic vom Mülheimer Max-Planck-Institut - der Miterfinder des chemischen Wärmespeichers - hält jedenfalls für möglich, dass der Stirling-Motor, der schon unter 500 Grad gute Wirkungsgrade erzielt, die Wende zu einer solaren Wirtschaft erleichtert. Dann hätte Jürgen Kleinwächter nicht umsonst getüftelt.
Literaturhinweis: Die Funktion eines Stirling-Motors ist gut erklärt auf der Internet-Seite www.k-wz.de/vmotor/stirling.html
(Quelle: Bernd Ludermann)