Solarenergie für Afrika

Konferenz in Düsseldorf vom 4.-6. September 2003

Überlegungen zum Erfolg und Misserfolg bei Kleinprojekten

Guten Morgen, ich bin von der „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ) und leite einen Fondss zur Förderung von Kleinprojekten.

Gestern früh hatten wir ja schon eine Einleitung auf der Politikebene, man könnte sogar sagen, oberhalb der Politikebene. Ich gehe aber jetzt ganz anders hin, ganz in die Niederungen von Kleinprojekten.
Ich habe mir angemaßt, zu behaupten, dass ich ein paar Gründe oder Faktoren benennen kann, die zum nachhaltigen Erfolg führen. Ich erkläre dann auch, wie ich dazu komme und woher die Daten stammen.

Ich bin, wie gesagt, von der GTZ. Die GTZ ist eine sehr große bundeseigene Firma - jeder kennt sie. Sie arbeitet grundsätzlich immer nur im Auftrag von jemandem. In der Regel sind die Aufträge vom Ministerium. Das bedeutet: Das Ministerium entscheidet, was da gemacht wird.
Meistens geht es um zwischenstaatliche Zusammenarbeit auf ministerieller Ebene, auf der Ebene von nationalen Behörden. Wir arbeiten allerdings auch – ganz untypisch innerhalb der GTZ – in der Arbeitsgemeinschaft GATE (German Appropiate Technology Exchange). Das ist eine Arbeitsgemeinschaft, die mindestens seit 15 Jahren schon existiert.
Zielsetzung ist es, angepasste Technologien zu verbreiten, die zur Armutslinderung beitragen. Es geht um Technologien allgemein, es geht nicht nur um Solartechnologie. Da gehört nachhaltige Landnutzung dazu, Verarbeitung von Lebensmittel, „low-cost-housing“ usw.

Es gibt zwei wesentliche Arbeitsfelder von diesem Programm GATE. Einmal der Informationsdienst. Der gibt Informationen über angepasste Technologien heraus. Ich habe gestern ein paar sog. "technical briefs" hingelegt. Es hängen auch noch einige Ansichtsexemplare an der Wand.
Wir haben, zum zweiten, diesen KleinprojektFonds, der Maßnahmen fördert.

Ursprünglich gab es nur diesen Informationsdienst. Man hatte die Idee, man gibt Information weiter, man sammelt Erfahrungen, gibt sie dann weiter und so können dort in den Ländern verschiedene dieser innovativen Energien nachgebaut und eingesetzt werden. Dann haben wir gesehen, dass oft das Geld fehlte, um etwas wirklich in der Praxis zu erproben. Deshalb wurde der KleinprojektFonds gegründet.

Die Zielsetzung war, dass man Kapital hat, um Pilotprojekte zu fördern – bei denen neue Technologien real ausprobiert werden können, bei denen Erfahrungen gesammelt werden können, die dann aus den einzelnen Kleinprojekten wieder in den Informationsdienst einfließen können. Diese Informationen sollen ja vorher wirklich in der Praxis erprobt worden sein.
Man muß dazu sagen: Das wurde vor 20 Jahren in einer Welle gegründet, die sich auf das Buch von Schumacher "Small is beautiful" bezog. Damals wurden sehr viele Informationen und Pläne weitergegeben, die in der Praxis noch gar nicht erprobt waren. Aber das ist inzwischen anders.

Ich habe schon gesagt, es geht um viele verschiedene Technologien, nicht nur
um Solartechnologien. In den letzten Jahren sind ungefähr 20 Prozent der Projekte Solartechnologieprojekte.
Zu Solartrocknern, haben wir verschiedene Projekte gefördert, auch zu solarthermischen Kollektoren. Zur Zeit laufen zwei Maßnahmen in Eritrea.
Zu Solarkochern hatten wir was, auch zu „solar home systems“. Die ganze Palette wurde schon durch Kleinprojekte abgedeckt. Das sind nicht unsere Projekte, sie werden von einheimischen Partnern durchgeführt. Wir finanzieren sie letztendlich nur.

Unser Anspruch und unser Auftrag ist es, nachhaltige Prozesse anzustoßen. Es muss eine technologische Innovation damit verbunden sein, sonst können wir das nicht fördern. Es soll auch nachhaltig sozioökonomisch sein, aber auch unmittelbar ökonomisch konkurrenzfähig, unter den derzeitigen Bedingungen, die dort herrschen.
Wir können mit dem Geld aber keine Wohlstandsinseln aufbauen. Das klingt vielleicht jetzt ein bisschen negativ. Ich sage es, weil wir sehr häufig Anträge bekommen für dieses Waisenhaus oder jene Schule, ihnen die Ausstattung zu besorgen.

Vom Auftraggeber, also vom Entwicklungshilfe-Ministerium, sind uns Indikatoren für Nachhaltigkeit vorgegeben: Wird die Technologie mindestens ein Jahr nach Beendigung der Maßnahme noch genutzt? Ein Jahr ist sehr kurz, aber irgendwie müssen solche Indikatoren auch den bürokratischen Rahmenbedingungen entsprechen. Wir prüfen real ab, nach einem Jahr, was da noch ist - entweder brieflich oder telefonisch. In manchen Fällen fahren wir hin oder haben irgendwelche Gutachter, die hinfahren.

Der andere Faktor ist: Wird diese Technologie von anderen Nutzern übernommen? Gemeint sind andere Nutzer, die keine Finanzierung von außen haben. Das ist der Anspruch. Das ist uns vorgegeben.
Wir schauen durchaus auch länger als ein Jahr nach, was passiert. Wir kriegen häufig Anfragen zu irgendwelchen Materialspenden, Lückenfüller zwischen tatsächlichen Kosten und den Preisen, die dort realisiert werden oder Ausstattung für irgendwelche Demonstrationsanlagen. Das können wir in der Regel nicht fördern. Wir bemessen die Förderung an dem Anspruch: Dient es dazu, einen nachhaltigen Prozess anzustoßen? Ich sage das nur schon mal aus Vorsicht.

Was ist die Datengrundlage für das, was ich sagen will? Wir haben insgesamt ca. 320 Kleinmaßnahmen in Afrika und Lateinamerika gefördert. Seit 1986 gibt es den Fonds. Wir müssen natürlich Projektberichte liefern. Wir versuchen, Projektevaluierungen vor Ort durchzuführen.
Die einzelnen Maßnahmen sind natürlich sehr klein. Da müssen sich die Kosten im Rahmen halten. Deshalb wird eine Überprüfung nicht jedesmal gemacht, es wird auch nicht systematisch gemacht. Wenn aber in einer Region relativ viele Projekte sind und es sich lohnt, dann schaut man sie sich schon mal vor Ort an.
Da spielt der Zufall ein bisschen mit, wie alt die Projekte dann sind, wie viele Jahre schon vergangen sind. Es sind manche dabei, die sind gerade erst am Anlaufen. Da sind aber auch Projekte dabei, die schon zehn Jahre abgeschlossen sind und die schaut man sich vor Ort dann an.

Was wir inzwischen systematisch machen sind Exportauswertungen. Das wird relativ selten gemacht. Wenn das Projekt abgeschlossen ist, dann fragen wir einige Jahre danach an: Was ist jetzt wirklich draus geworden?
Wie das passiert, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. In jedem Fall wird ein Brief geschrieben und wird gefragt. In manchen Fällen, wenn so eine Reise dazu passt, besucht man die Leute nochmal.
Diese Exportauswertungen sind wirklich interessant, da kriegt man raus, wie es nach ein paar Jahren aussieht. Wir haben aber nicht von allen 320 geförderten Maßnahmen nach Jahren noch Daten gekriegt.

Ich würde mal sagen, von 100 Kleinprojekten liegt jetzt eine Querschnittsanalyse vor. Da haben wir mal versucht, zusammenzustellen, woran es hängt, dass es funktioniert, bis heute funktioniert oder warum es denn gescheitert ist. Oder wo waren die größten Hürden?
Richtig gescheitert sind vergleichsweise wenig. Wie ich schon gesagt habe, betreffen nur etwa 20 % davon die Solarenergie. Die Erkenntnisse beziehen sich auf verschiedene Technologien, aber die Faktoren sind im Prinzip immer wieder die Gleichen.
Ich zähle sie einfach auf, sie tauchen sowohl negativ als auch positiv auf. Diese Faktoren können zum Erfolg führen, sie können aber genauso gut zum Scheitern führen.

Als allererstes die Qualität und Alltagstauglichkeit der Technik. Die Kosten und Möglichkeiten für die Zielgruppe, diese Kosten in irgendeiner Weise zu finanzieren. Die Organisationsform – denn meistens fordert eine neue Technologie, dass man sich umorientieren muss. Die Verfügbarkeit von Know-How: Wir haben gehört,
Zivildienstleistende fahren hin, Techniker fahren hin. Irgendwie muss Know-How da sein. Der Absatzmarkt für Endprodukte, wenn es Verarbeiter sind. Die Interessenakteure und die allgemeinen Rahmenbedingungen. Ich gehe gleich auf die einzelne Punkte genauer ein.

Qualität, Alltagstauglichkeit der Technik: Ich war auf einer Veranstaltung, wo es eigentlich nur um Demonstrationen von Bautechnologien ging. Um die Leute zu bewirten, wurde mit einem ganz einfachen Kocher aus Wellpappe, beschichtet mit einem Reflektor, gekocht. Die Leute waren ganz begeistert, als dann die Süßkartoffeln gar waren. Also, es ist ganz einfach, Leute zu begeistern von einer Technologie, wenn sie prinzipiell funktioniert.
Das wird durch Demonstrationsanlagen oder Prototypen gemacht. Die Aufgabe ist, zu zeigen, dass es überhaupt funktioniert.

Das genügt natürlich nicht für einen nachhaltigen Erfolg. Die Sache muss auch wirklich funktionieren. Wir haben gestern schon etwas gehört über verschiedene Solartrockner-Typen. Einer von der Universität Hohenheim entwickelter Trockner wurde auch erwähnt.

Wenn es um die Verbreitung geht, erleben wir es oft, daß irgendwo pilothaft eine Technik hingestellt wird - das kann ein Gerät sein oder eine Methode, wie ein Mietsystem – die aber erst dann ein großer Erfolg wird, wenn es von jemandem anderen übernommen wird. Die Frage ist nur: Wie wird das übernommen?
In Simbabwe war z.B. ein Nachbau dieses Hohenheim-Trockners. Der Witz von diesen Trocknern ist natürlich, dass die Qualität hoch ist, dass die Verschmutzung gering ist, usw. Der nachgebaute Trockner trocknete mit Sicherheit auch, aber man konnte schon ahnen, dass da einiges an Ungeziefer reinwandert und dass es schwierig sein wird, dann eine hohe Qualität an Endprodukten hinzubekommen.

Wir erleben das sehr häufig, daß es irgendwelche Nachbauten gibt. Auch wenn bei Metall nicht das richtige Material vorhanden ist, wird es einfach nachgebaut - und bricht danach. Da gibt es tausend Beispiele. Batterielader, die nicht richtig funktionieren. Das Problem bei den Nachbauten ist die Qualität.
Ein Beispiel zur Solarenergie: Da gibt es Kostenkalkulation zu Solarsystemen, wo die Hauptkosten im Solarmodul liegen und die Batterien vergleichsweise niedrig angesetzt sind. Wenn man es dann aber auf die Lebensdauer von 20 Jahren hochrechnet, gibt es sicher andere Zahlen.

Wenn man den Batterien eine Lebensdauer von drei Jahren gibt, schlagen auf einmal die Kosten für die Batterie wesentlich mehr zu Buche. Wenn jetzt aus irgendeinem Grunde die Qualität nicht stimmt, entweder der Lader sich überlädt oder die Entladung nicht richtig geregelt ist oder auch - was viel häufiger vorkommt - diese Batterien herumgetragen werden und nicht richtig gewartet werden, verkürzt sich die Lebensdauer stark.
Ich habe mir die Zahlen von einem Projekt über zwei Jahre angeschaut: Da gehen die Kosten für diese Komponente später unglaublich in die Höhe. Das heißt, das ganze System verteuert sich.

Es ist für uns hier wahrscheinlich selbstverständlich, dass die Qualität wichtig ist. Aber dort war das Vorsorgeprinzip der Leute komplett anders. Sie wollen mit möglichst geringen Investitionskosten überleben. Meistens haben die Projekte hohe Betriebskosten. Diese neuen Technologien erfordern meistens ein ganz umgekehrtes Denken: Man hat hohe Anfangsinvestitionen, dafür dann ganz geringe laufende Kosten. Trotzdem gibt es immer wieder das Bestreben der Bevölkerung oder der Techniker, es möglichst billig zu machen, diese Anfangsinvestition möglichst niedrig zu halten. Das schlägt sich aber nachher wieder in hohen Unterhaltungskosten nieder.

Ich will noch zu einem anfangs ganz tollen Projekt was sagen. Da wurden in Sambia aus recyceltem Kunststoff Dichtungen für Pumpen hergestellt. Da war dann so ein kleiner Extruder, der handbetrieben wurde und der die Dichtungen herauspresste. Funktionierte prima.
Dieser Extruder hatte einen Handhebel, damit er betrieben werden konnte, weil das Zeug wohl nicht leicht genug durchging. Vielleicht stimmte die Temperatur auch nicht. Auf jeden Fall wurde dann versucht, mit aller Gewalt, das irgendwie hinzukriegen. Das kennen Sie sicher, es werden Hebel verlängert bis ins Unendliche - bis das Ding dann endlich zerbricht. Ich weite es nicht aus - aber darauf muss man gefasst sein.
Man kann nicht einfach ein Gerät hinstellen. Oft wird sowas auch in Schulen angefangen. Wir haben ja auch gestern viel über Schulprojekte gehört. Da gibt es Schüler, die in Biogasanlagen Steine werfen, weil es so ein schönes Ziel ist - und dann ist die ganze Anlage voller Steine. Die Alltagsbedingungen sind wirklich hart. Erstens muss die Qualität stimmen, das Bild von einem Nachbau muss wirklich im Detail stimmen. Es ist sehr schwierig das durchzusetzen.

Falls da irgendwelche Widerstände der potentiellen Nutzer kommen sollten, muss man diese von Anfang an ernstnehmen. Oder wenn nicht gleich Begeisterung auftritt und sie nicht bereit sind, etwas zu investieren.
Das ist mit der wichtigste Indikator: Von Anfang an müssen sie sich in irgend einer Form beteiligen, sonst stimmt da was nicht.

Mit den Nutzern die Technologie irgendwie zusammen zu entwickeln, ist selbstverständlich. Längerfristiges Engagement und Zugang zu Know-How sichern: Das kann ich jetzt auch recht leicht sagen. Die Frage ist, wie man das macht, wie finanziert man das, wer bezahlt das.
Da kann ich vielleicht nur sagen: Klein anfangen, nicht zu groß einsteigen und das wenige Geld und die geringen Ressourcen, versuchen, in die Länge zu strecken. Da hat man vielleicht mehr davon, als wenn man ein großes Input am Anfang leistet.

Dann die Entwicklung und Erprobung unter Alltagsbedingungen: Wenn heute jemand bei uns einen Antrag stellt, wo sie eine Anlage möchten, um damit zu demonstrieren, wie alles funktioniert, sind wir sehr skeptisch. Meistens sind das dann Bedingungen, die im Alltag nie wieder auftauchen werden. Besser ist es, möglichst unter Realbedingungen die Sachen einzusetzen und zu testen.

Die Sicherung der Qualität, bzw. der Eingang auf die hohen Belastungen, die im Alltag eintreten, treiben die Kosten recht hoch. Die Materialkosten werden, nach unseren Erfahrungen, bei den Projekten meistens relativ realistisch eingeschätzt.
Da gibt es Kalkulationen vorher, aber dann kommen Kosten für Ersatzteilbeschaffung, Arbeitszeit und Transaktionskosten, ganz allgemein. Da ist ein Transport, da ist ein Service um Mieteinnahmen einzutreiben oder sonst was. Das ist alles sehr aufwendig.

Wir haben gestern sehr viel über ehrenamtliche Arbeit gehört, die da geleistet wird. Das funktioniert während das Projekt läuft, sowohl über europäische Freiwillige als auch über Einheimische. Wenn etwas neu ist, sind alle sehr engagiert. Aber das auf Dauer aufrechtzuerhalten, ist unheimlich kostenaufwendig. Die Betriebskosten werden häufig unterschätzt. Ich behaupte jetzt einfach: Sie sind nie gleich null, auch nicht bei einem Solartrockner, denn es muss immer mal was ersetzt werden.
Das Hauptproblem ist die Kapitalrücklage und die Abschreibung von Investitionen.

Ich kenne ein Solartrockner-Projekt in Kenia, um ein Beispiel zu nennen: Ich bin, acht Jahre nachdem das Projekt gelaufen ist, unangemeldet hingefahren. Es war eigentlich ein Zufall, dass ich es gefunden habe.
Ich fuhr auf so einen Hof und tatsächlich waren da Frauen bei diesem Trockner, den wir Jahre zuvor finanziert hatten, und trockneten ihre Mangos, die sie auch relativ gut verkaufen konnten. Sie konnten die in Kenia an Touristen verkaufen, bei Tagesverpflegungen, bei Safaris - insofern haben sie einen guten Preis erzielt.
Ich war zum einen sehr begeistert, dass der Trockner nach so vielen Jahren noch funktionierte. Sie haben mich dann aber sofort angebettelt, sie bräuchten Farbe und Kitt für den Trockner, denn der würde langsam auseinander fallen, nach so vielen Jahren. Ist ja auch klar. Ich sagte, jetzt verkauft ihr so viele Jahre relativ teuer eure Mangos und habt kein Geld für die Farbe - da ist doch was faul.

Es ist eine Mentalitätsfrage. Das Einkommen wird meistens sofort verkonsumiert, rausgenommen aus dem Projekt, es wird nichts angespart für die zukünftige Investition, selbst für so banale Sachen wie ein bisschen Farbe und Kitt, um den Trockner in Schuss zu halten.
Es ist eine Mentalitätsfrage, aber auch ein Problem: Wie macht man das, mit diesen Kapitalrücklagen? Viele haben nicht die Möglichkeit zu sparen in Form von Geld und mit einem Bankkonto. Da muss man von Fall zu Fall gucken.
Da sind sicher viele ungelöste Fragen. Vielleicht so, dass man in Form von Material irgendwie Kapital ansparen kann, was man danach verkauft, so wie es der Bauer macht. Wenn er Geld braucht, dann verkauft er eine Ziege.

Der letzte Punkt: Die Lebensdauer realistisch einschätzen: Was ich als Folge daraus sagen will, ist, dass man das Projektdesign von Anfang an auf niedrige Folgekosten abstellen soll.
Es gibt hier im Raum unheimlich viele engagierte Personen, die während der Projektlaufzeit sehr viel reinstecken, habe ich gestern erfahren. Das Problem ist die Frage: Wie geht es danach weiter? Sollte man nicht von Anfang an versuchen, sich weitgehend zurückzuhalten um das unter realen Alltagsbedingungen laufen zu lassen? Ein Projekt ist immer eine künstliche Situation.

Zu den Kosten noch: Dieser „local content“, wurde gestern auch diskutiert. Es gibt ja den Ansatz, möglichst viele der Anlagen und der Geräte im Land selber zu produzieren. Das soll Arbeitsplätze schaffen und Einkommen sichern.
Diese Überlegung ist sicher richtig. Es gibt halt ein gewissen Widerspruch zwischen diesem Qualitätsanspruch und den Kosten unter lokaler Produktion. Einfach alles, was in Kleinserie hergestellt wird, ist vergleichsweise teuer.
Ganz kleine Ansätze können zwar durchaus Vorteile haben - aber wir haben es an dem Beispiel des Solarkochers von Dieter Seifert gestern schon gehört: Es gibt jetzt einen Unternehmer in Deutschland - die Firma Koch - die diese Bleche sehr billig herstellen kann. Es müsste ja nicht unbedingt Deutschland sein, es kann auch in einem afrikanischen Land sein, wo etwas in größeren Mengen hergestellt werden kann.

Diesen „local content“ muss man auf das Gesamtsystem beziehen. Ich habe vorher eher negativ gesagt, dass diese Transaktionskosten sehr teuer sind. Da ist aber der Service drin, das Finanzmanagement, die Organisation, das Reparieren, das Verteilen und der Einzelhandel.
Das sind zwar hohe Kosten - aber zum anderen ist das wieder innerhalb dieses Gesamtsystems eine Chance zur Generierung von Einkommen. Man muss in jedem Fall genau hingucken: Wo ist die richtigen Balance zwischen einer billigen, guten Massenproduktion (im kleinen Maßstab) und einer lokalen Einkommensgenerierung, die vielleicht mehr über diese Serviceleistung läuft?

Die Kostenkalkulation: Mit den Leuten über Kosten zu kalkulieren und zu kalkulieren... was bringt mir das? Das geht relativ leicht, wenn diese neuen Technologien Investitionsgut sind.
Als Beispiel ein Solartrockner: Der Solartrockner dient den Leuten dazu, irgendwas herzustellen, was sie nachher auf dem Markt verkaufen. Sie kriegen Bargeld und sind deswegen gewohnt mit Geld zu kalkulieren. Das funktioniert relativ gut. Schwieriger ist es bei einer Technik für Selbstversorgung, wie Solarlaternen oder Solarkochern. Wie kann man da den Nutzen monetär bewerten? Da steht dann meistens Geld versus Arbeitszeit, die sie brauchen, um Holz anzuschaffen. Bei der Beschaffung von Brennstoff für die Lampen ist es ein bisschen einfacher.

Wir verlangen, dass von Anfang an möglichst realistische Kalkulationen gemacht werden, damit man sieht: Hat das Projekt eine Chance, sich nachher nachhaltig auf dem Markt durchzusetzen?
Es ist es ein bisschen schwierig bei diesen Konsumgütern zu kalkulieren - aber ich denke es geht. Man muss mit den Leuten lange diskutieren und gucken welchen Wert sie den Sachen wirklich beimessen.

Zur angepassten Finanzierung: Da haben wir gestern auch schon verschiedenes gehört. Mieten und Ratenzahlungen sind etwas relativ selbstverständliches für uns. Allerdings sind da auch wieder ein paar Hürden dabei.
Viele Leute auf dem Land, haben wir im nachhinein gelernt, haben durchaus manchmal Geld. Sie haben aber ganz selten regelmäßig verfügbares Geld. Ein Bauer hat einmal, zweimal oder dreimal im Jahr eine große Summe zur Verfügung. Dann kann er was kaufen - für seine Kerosinlampe kann er einmal einen großen Kanister Kerosin kaufen, kann den zu Hause lagern und nimmt dann immer was raus.

Die Solartechnologien sind erstmal in der Regel vergleichsweise teuer für die Leute, deshalb tendiert man natürlich leichter dazu, so etwas zu subventionieren. Wenn man etwas neu einführt, muss man erstmal den Preis subventionieren. Man muss es zu einem Preis rausgeben, der deutlich unter den Produktionskosten liegt. Das ist völlig klar.
Aber wenn man an dem Punkt ist, wo man versuchen will, zu massenweisen Einführungen zu kommen, muss man auch nah an die realen Marktpreise kommen, sonst entsteht dauernd eine Lücke, und die bekommt man von niemandem finanziert.

Die Beispiele haben eines gezeigt: Wenn die Subventionierung nur sehr maßvoll war und der Preis des Produktes von Anfang an ungefähr dem entsprochen hat, was man dann ein oder zwei Jahre später als Marktpreis nehmen kann – wird das eine relativ günstige Lösung sein. Leider ist es aber so, dass in sehr vielen Maßnahmen die Sachen sehr billig verkauft werden. Dann gibt es nie den Punkt, wo es nachhaltig weiterläuft.

Das mit dem Ansparen von Kapital haben wir vorhin schon mal gehabt. Wir arbeiten in diesem Fonds fast ausschließlich mit NGO´s in Afrika oder Lateinamerika oder irgendwelchen gemeinnützigen Organisationen.
In dem Moment, in dem es darum geht, ein Produkt marktfähig zu machen, versagen diese NGO´s aber meistens. Sie haben einfach eine andere Zielsetzung - eine soziale Einstellung.

Da müssen von Anfang an irgendwelche Unternehmer, Einzelhändler und Handwerksunternehmer ran – aber nicht ein Handwerker, der von der NGO eingestellt wurde. Es müssen möglichst frühzeitig irgendwelche Unternehmen dazugezogen werden.Was meistens noch besser ist, sind Unternehmen die schon bestehen, die schon die Haltung als Unternehmen haben, und die zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einbezogen werden, so dass sie das dann irgendwann mal übernehmen können.

Angemessene interne Verrechnungen: Auf diesen Punkt will ich nochmal eingehen.
Bei NGO´s und gemeinnützigen Organisationen sind häufig Leute eingestellt, die einen relativ festen Lohn haben. Sie werden also nicht direkt nach Leistung bezahlt. Das ist aber nicht sehr förderlich für so eine nachhaltige Verbreitung. Es gibt sehr interessante Modelle - ich denke an einer Schreinerei in Brasilien – wo hauptsächlich ledige Mütter arbeiten. Sie müssen sich um ihre Kinder kümmern und haben nur ein paar Stunden am Tag Zeit. Es ist eine Selbsthilfe-Organisation, und da kommen sie mal abends, mal morgens, und es war sehr schwierig mit der Bezahlung.

Sie haben selber ein System entwickelt, jeden Arbeitsschritt in dieser Schreinerei monetär zu bewerten. Es ist praktisch eine Akkordarbeit, die Eine schleift was, die Zweite hobelt was und die Dritte sägt was. Dann können sie kommen, wann sie wollen und schreiben auf, was sie alles gemacht haben und dann kriegen sie am Ende des Monats ihr Geld.
Das ist wirklich eine sehr kleine Selbsthilfegruppe von Frauen, die es schaffen intern ihre Leistungen angemessen zu verrechnen, die es auch schaffen, Rücklagen zu bilden, um für die Kreissäge wieder mal ein neues Blatt zu kaufen.

Nochmal zu den Solartrocknern zurück: Diese Frauen in Kenia haben tatsächlich noch ihre Trockner benutzt. Sie hatten ursprünglich mal neun - einer war kaputt gegangen - aber der Rest funktionierte noch.
Diese Frauen sind so organisiert: Jede Einzelne hat einen Trockner, aber sie haben nur einen Verkaufstand, wo lauter Tüten mit Mangos sind. Da habe ich ein paar von diesen trockenen Mangos gekauft. Was ich nicht wusste: An jeder dieser Tüten war ein kleines Zeichen, das ich als Kunde gar nicht sehe. Je nachdem, welche Tüte ich aus dem Stapel rausziehe, kriegt das Geld eine dieser Frauen.
Sie haben ihre Organisationsform von vorher, also von der individuellen Vermarktung beibehalten. Das haben sie über acht Jahre gemacht - aber haben keine Rücklagen gebildet.

Wenn man allerdings so eine größere Technologie einführen will, wie diese
Hohenheim-Trockner, dann verlangt das ganz andere Organisationsformen. Sie bezeichnen sich als Kooperative – und man sieht, wie sie immer wieder zusammenkommen und auf einem gemeinsamen Hof arbeiten. Sie haben einen gemeinsamen Laden, wo sie verkaufen. Aber sie haben es über die vielen Jahre nicht geschafft - oder wollten es nicht - gemeinsam zu vermarkten. Es ist purer Zufall wer von den Einzelnen jetzt gerade ein Einkommen erwirtschaftet.
Das Interesse ist dann natürlich gering, Rücklagen zu bilden für irgendwelche gemeinschaftlichen Investitionen. Jeder Einzelne könnte das machen, für sich.

Also, neue Technologien verlangen neue Organisationsformen und daran hakt es häufig viel stärker, als an der Technologie selber. Das sollte man auf jedem Fall von Anfang an mitbedenken.
Was man unbedingt braucht, wenn das Produkt irgendwann mal in den Markt gehen soll, ist eine Mindestmasse. Man kann nicht zu klein anfangen. Das beratende Know-How wird gebraucht und muss auch in irgendeiner Form bezahlt werden. Es muss auf Dauer sichergestellt werden, dass Einheimische davon leben können. Die Techniker, die Handwerker, die Beratung vom „extension service“ usw.

Noch ein Beispiel: Für uns ist es selbstverständlich, dass aus dem Wasserhahn Wasser kommt und wenn keines kommt, dann wurde offensichtlich das Wasser abgestellt.
Ich habe erlebt, dass Leute, die kein Wasser mehr bekommen haben, den Wasserhahn abgeschraubt haben, um nachzugucken, wo das Wasser herkommt. Wenn man mit der noch so einfachen Technik nicht vertraut ist, wird sie kaputt gemacht.

Es muss eine Mindestmasse da sein. Wenn die Nachbarn das haben oder sehr viele im Dorf so eine Technik nutzen, entsteht erst eine Vertrautheit, die zu einer Nutzung führt.
Wenn die Rahmenbedingungen sehr negativ sind, kann man nichts machen. Wenn Projekte wirklich gescheitert sind, lag es eigentlich immer an den Rahmenbedingungen.

Speziell bei den erneuerbaren Energien muss man sicher sein, dass überhaupt ein Bedarf da ist. Da wurde schon sehr viel von uns gemacht - und plötzlich war eine riesige Stromleitung da. Wir haben ein riesiges Projekt finanziert und dann wurde Netzstrom geliefert. Danach war natürlich überflüssig, was wir an erneuerbaren Energie da aufgebaut haben. Die Frage nach einem Bedarf ist also wichtig.

Noch ein Beispiel zur Abhängigkeit vom politischen Willen: Wir hatten ein Recycling-Zentrum gefördert, zusammen mit sehr engagierten Leute in Kenia. Die haben dann vom Bürgermeister in der Nähe vom Marktplatz einen Platz zur Verfügung gestellt bekommen, wo sie die ganzen Marktabfälle kompostieren konnten. Das lief sehr gut.
Dann wurde aber ein neuer Bürgermeister gewählt. Am ersten Amtstag ist er durch den Ort gelaufen, hat mit seinen Honoratioren alles angeguckt. Er hat gesehen: Da ist ein Haufen Müll - es war ein ganz ordentlicher Kompost – und ließ den auf der Stelle abreißen.
Da kann man nicht viel machen, selbst bei solchen kleinen Maßnahmen ist man doch abhängig von dem politischen Willen.

Zum Selbsthilfepotential der Zielgruppe: Gestern wurde gesagt, viele Leute haben ja nicht einmal den einen Dollar - wie sollen sie also bezahlen? Es wurde das Problem der Rahmenbedingungen angesprochen - denn wenn die Leute keinen ordentlichen Preis für ihre Baumwolle bekommen, haben sie das Einkommen nicht – und dass man mit diesen Kleinprojekten nichts daran ändern könnte, sondern das Ganze auf einer anderen Ebenen geregelt werden müsse.

Dazu will ich nur sagen: Das was ich hier dargestellt habe, gilt ohnehin nur für solche Zielgruppen, die noch ein gewisses Selbsthilfepotential haben - die von irgendwo her ein Einkommen haben. Nothilfemaßnahmen sind was ganz anderes. Es müssen sich schon die Rahmenbedingungen ändern, damit solche Technologien oder Maßnahmen eine Chance haben.

Solarenergie ist zumindest für uns kein Selbstzweck. Es kann ein Mittel sein zur Einkommensschaffung. Zum Klimaschutz, zu einem verbesserten Lebensstandard. Es gibt sehr häufig Begründungen, wo ich ein bisschen im Zweifel bin, ob das so stimmt. Manchmal kann es durchaus sein, dass es andere Lösungen gibt, die dem gesetzten Ziel besser entsprechen. Im Alltag übersieht man das manchmal.

Es gibt bei den Solarkochern immer die Argumentation: Raubbau am Holz und Abholzung der Wälder. Das ist zwar durchaus richtig -aber in manchen Gegenden ist es vielleicht möglich, einen Brennholzanbau nachhaltig zu organisieren. Da werden Wälder aufgebaut und energiesparende Herde verwendet, die dann eben weniger Brennholz benötigen. Das könnte durchaus ein besserer Beitrag sein.

Ich danke Ihnen für die Geduld. Ich danke denen, die Projekte ausführen. Wie gesagt, finanzieren wir sie nur. Meinen Dank auch an die Personen, die Information auch nur weitergeben.